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Der Sommer des Commisario Ricciardi

Der Sommer des Commisario Ricciardi

Titel: Der Sommer des Commisario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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abgewischt, das ihr aus dem Mund lief, sich die Haare gerichtet und ist zurück in den Saal gegangen.«
    »Und Capece?«
    »Hat das Theater verlassen; vorher aber hat er noch was gebrüllt.«
    Maione beugte sich vor, er spürte Bambinellas Zögern.
    »Was hat Capece gebrüllt?«
    »Er brüllte: ›Ich bring dich eigenhändig um.‹«

    XII    Um diese Tageszeit ist es am schlimmsten. Die Sonne kennt kein Pardon, nimmt keine Rücksicht auf dieSchutzlosen. Ihr braucht meine Hilfe, ich rücke dieje-nigen von euch in den Schatten, die ich verschieben kann: Geranien, Begonien. Euch Hecken, Jasmin, Bougainvillea und Efeu, kann ich nur dabei zuschauen, wie ihr eure Reserven verbraucht, das Wasser, das ich euch heute Morgen gegeben habe. Ihr müsst dort bleiben. An eurem Platz. Jeder hat seinen Platz.
    Wo ist mein Platz? Hier, bei euch. In diesem öden, leeren Haus, den verlassenen Zimmern, der Totenstille. Ein Haus voller Gespenster. Auch er, mein Vater, ist bloß ein Gespenst. Wie er röchelnd in seinem Bett liegt, einen verlorenen Kampf kämpft. In meiner Erinnerung ist er groß und stark, lacht glücklich mit Mama. Mama. Mama. Welch zauberhaftes Wort. Ich trage es in meinem Herzen. Für immer.
    Du weißt es, Mama. Weißt, dass das Wichtigste im Leben die Liebe ist. Die Liebe weist dir deinen Platz. Du hast immer gesagt, die Liebe sei das wahre Zuhause, die wahre Heimat. Aber du hast nicht erklärt, was zu tun ist bei der falschen Liebe.
    Jetzt ist sie tot. Tot, Mama. Wie du. Wie Vater, auch wenn er noch röchelt. Vielleicht auch wie ich selbst und meine falsche Liebe.
    In der Schublade des Sekretärs, im Geheimfach, liegt der Ring. Ich nehme ihn heraus. Deinen Ring, Mama. Ich mache ihn noch einmal sauber, damit ihr Blut ihn nicht beschmutzt. Er soll aussehen wie früher.
    Als er an deinem Finger steckte, Mama.
     
    Ricciardi hatte beschlossen, am Eingang zur Leichenhalle auf der Rückseite des Krankenhauses auf das Ergebnis der Autopsie zu warten.
    Die Tür öffnete sich, und heraus kam Doktor Modo, der sich die Hände am Saum seines fleckigen Kittels abtrocknete.
    »Sieh an, wer gekommen ist, um diesen Ort des Leidens mit einem Lächeln zu erhellen. Ciao, Ricciardi, willkommen im Puppentheater.«
    »Wie ist’s gelaufen? Bist du fertig mit der Herzogin?«
    Modo grinste breit.
    »Oh, wir beide haben uns lange unterhalten, deine Klientin und ich. Ich habe eine Menge von ihr erfahren, streng vertrauliche Informationen, versteht sich. Bei einer zünftigen Mahlzeit, die du mir spendierst, ließe sich jedoch darüber sprechen.«
    Ricciardi schüttelte den Kopf.
    »So gehst du also mit deiner Schweigepflicht um. Na gut, wir sehen uns nach Feierabend in der Trattoria beim Präsidium; ich warte noch auf Maione, er bringt weitere Informationen. Kostenlos.«
     
    Maione hatte aus Bambinella nichts Interessantes mehr herausbekommen. Er hatte insbesondere etwas über die anderen Bewohner des Adelspalastes und ihre Gewohnheiten zu erfahren versucht, doch wie es schien, wusste sein Informant nicht mehr als das, was die anderen schon erzählt hatten.
    Nur als es um den Sohn des Herzogs, Ettore, ging, war ein Zögern zu spüren gewesen. Bambinella wusste, dass der junge Mann fast jeden Abend sehr spät das Haus verließ und gelegentlich auswärts übernachtete, doch er hatte keine Ahnung, wohin er ging. Und da Ettore zu den Gelehrten der Stadt gehörte, hielt Maione es für unwahrscheinlich, dass die Kreise, in denen er sich bewegte, irgendetwas mit Bambinella gemein haben könnten.
    In der furchtbaren Mittagshitze und hungriger denn je beschloss er, Ricciardi aufzusuchen, um ihm seine neuesten Erkenntnisse mitzuteilen. Er fand ihn in seinem Büro, wo er bereits auf den Brigadiere wartete.
    Sie erstatteten sich gegenseitig Bericht: Der Kommissar schilderte Maione die Eindrücke seiner Unterredung mit Garzo und Maione informierte Ricciardi über das, was er im Umfeld des Hauses Camparino und von Bambinella erfahren hatte. Ricciardi saß gedankenverloren da, die Hände vor dem Mund gefaltet.
    »Dann sind also alle davon überzeugt, dass es Capece war. Bisweilen ist die offensichtlichste Lösung auch die richtige, im Leben ist es ja nicht wie im Roman. Wir müssen ihn vernehmen.«
    »Gewiss, Commissario, aber wir müssen vorsichtig sein. Sie haben doch Garzo gehört, diesen Dummkopf, nicht? Am Ende wird er noch misstrauisch und lässt seine Kontakte spielen. Dann sind uns die Hände gebunden.«
    »Du hast recht. Machen wir alles der

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