Der Sommer des Commisario Ricciardi
Händen, der Duft deiner Haut. Ein einziger Rausch. Die Zeit ohne dich: verlorene Zeit. Sogar die Zeit mit meinen Kindern. Sogar meine Arbeit. Kein Preis war zu hoch für die Zeit mit dir.
Wir werden uns nie wiedersehen.
Dein Lachen, wie das Klirren von Perlen auf Marmor, der Klang des Lebens. Ich kann nicht glauben, dass ich es nie mehr hören werde. Du hast mich verhext, verrückt gemacht nach dir. Mir so viel Glück geschenkt, obwohl es Sünde war.
Ich war so wütend, so erbost zu sehen, wie du einen anderen anlächeltest, ihm heimliche Blicke zuwarfst. Eskann nicht sein, dass meine Hand dich zum letzten Mal berührt hat, um dir weh zu tun. Ich kann es einfach nicht glauben.
Es kann nicht sein, dass ich dich nie wiedersehen werde.
Auf Bambinellas Behauptung folgte ein kurzes Schweigen; durchs Fenster drangen mit der furchtbaren Hitze der frühen Mittagsstunden auch das Zirpen der Grillen und vereinzelte Vogelrufe. Maione kannte Bambinellas Hang zur Theatralik, war aber dennoch betroffen.
»Wie das, er soll sie umgebracht haben? Woher weißt du, dass Capece die Herzogin ermordet hat?«
Bambinella schüttelte den Kopf und riss die dick geschminkten Augen auf.
»Bitte, Brigadiere, lassen Sie mich nichts sagen, was ich nicht sagen möchte. Ich habe keine Ahnung, wer die Herzogin ermordet hat. Das heißt sogar, ich hoffe wirklich, dass es nicht Capece war. Ich hab nämlich eine Schwäche für Liebesgeschichten, und Morde mag ich gar nicht.«
»Ja und? Wir sind hier nicht im Theater, dass die Geschichte dir gefallen muss. Hat Capece seine Geliebte nun umgebracht oder nicht?«
»Woher soll ich das wissen, Brigadiere? Was ich Ihnen sagen kann, ist: Alle sind überzeugt, dass er es war. Ich hab ja schon gesagt, dass Donna Adriana die Männer regelrecht um den Verstand gebracht hat, und sie hatte auch noch ihren Spaß daran. Ich glaube, sie mochte Capece wirklich, trotzdem hat sie ihre Spielchen getrieben. Und Samstagabend im Salone Margherita ist es dann zum großen Streit gekommen.«
Maione hatte Mühe, das Gespräch so zu steuern, dass er am Ende auch erfuhr, was für ihn wichtig war.
»Was für ein Streit? Bambinella, bitte, komm zum Punkt! Mir ist schwindelig und ich sterbe vor Hunger, leider kann ich nichts essen und dir auch nicht sagen, warum. Setz du nicht auch noch eins drauf! Erzähl, was du zu erzählen hast, und stiehl nicht meine Zeit.«
»Ah, Brigadiere, sind Sie auf Diät? Warum denn, Sie sind doch gerade richtig so mit Ihrem Bauch, ein stolzer, imposanter Mann!«
Der strenge Blick des Brigadiere machte jede Ermahnung überflüssig.
»Schon gut, schon gut. Also weiter. Was ich Ihnen jetzt sage, weiß ich von einer Freundin, die im Salone Margherita kellnert. Sie soll demnächst zur Garderobenfrau … oh, Brigadiere, jetzt ärgern Sie sich doch nicht, wie schnell Sie aber auch böse werden! Kurzum, in der Pause zwischen den beiden Akten vertreiben alle sich die Zeit mit Rauchen, Trinken, Plaudern, dazu geht man ja schließlich auch ins Theater. Da fängt Capece an, die Herzogin anzuschreien: Was sie sich denn herausnehme, es sei doch immer dasselbe mit ihr und er halte es nicht mehr aus.«
»Warum, was hat sie denn getan?«
Bambinella tat ratlos.
»Wer weiß das schon? Sie wird jemanden gegrüßt oder angelächelt haben. Das tat sie oft. Kurz und gut, er schrie und sie lachte. Etwa so, meine Freundin hat mir erzählt, dass sie laut lachte, ha ha ha, ha ha ha, als wär das Ganze furchtbar komisch. Darauf hat er das mit dem Ring gemacht.«
»Mit dem Ring?«
»Er packte ihre Hand und schrie ihr ins Gesicht, dass sie seiner nicht wert sei, er sie nie wieder sehen wolle. Dann hat er ihr den Ring vom Finger gezogen.«
Maione brauchte mehr Informationen.
»Welchen Ring? Was für ein Ring war das?«
Wieder zuckte Bambinella mit den Schultern.
»Wie soll ich das wissen? Sie hat bloß gesagt: ›Da hast du ihn, deinen dämlichen Ring. Gib ihn doch dieser Elendsgestalt von deiner Frau zurück, dem Gespenst.‹«
»Warum, ist Capece verwitwet?«
»Von wegen verwitwet. Bloß sagt man, dass Capeces Frau nur für Haus und Kirche lebt, das glatte Gegenteil von der Herzogin. Man sagt, an ihren Mann denkt sie schon seit Jahren nicht mehr.«
»Und dann?«
»Dann hat er sie vor allen mit der flachen Hand geohrfeigt, dass ihr Hören und Sehen verging. Ein paar Männer wollten schon eingreifen, abscheulich, eine Frau in der Öffentlichkeit zu schlagen. Aber sie hat abgewinkt, sich das Blut
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