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Der Sommer des Commisario Ricciardi

Der Sommer des Commisario Ricciardi

Titel: Der Sommer des Commisario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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Zimmer.«
    Ricciardi schaltete sich ein:
    »Gibt es einen direkten Zugang von seiner Wohnung zum ersten Stock? Oder muss man in jedem Fall über die Treppe?«
    »Ja, es geht nur so.«
    Sie waren an einem Treppenabsatz angelangt, von dem eine kleine Holztür abging. Maione fragte:
    »Wer wohnt denn dort?«
    Noch bevor Concetta antworten konnte, öffnete sich die Tür und ein Junge schaute heraus; seine Ähnlichkeit mit Mariuccia, dem Dienstmädchen, war offensichtlich. In der Hand hielt er ein Buch und ein Stück Brot mit Tomate.
    Nun konnte Maione sich seine Frage selbst beantworten.
    »Da ist wohl kein Irrtum möglich: die Familie Sciarra. Du bist sicher der Älteste, nicht?«
    Der Junge nickte schüchtern. Er ähnelte seiner Mutter so sehr, dass Maione schon damit rechnete, ihn gleich losheulen zu sehen.
    »Jawohl, die Herren, Sciarra Vincenzo, zu Ihren Diensten. Ich bin auf dem Weg zum Nachmittagsunterricht.«
    »Geh nur, geh.« Es folgte ein böser Blick auf Vincenzos Imbiss. »Macht das ständige Kauen denn gar nicht müde? Na los, mach dass du fortkommst.«
    Als der Junge sich aus dem Staub gemacht hatte, sah Ricciardi den Brigadiere kopfschüttelnd an.
    »Das Fasten tut dir nicht gut. Du wirst immer anstrengender.«
    Donnerwetter, dachte Maione. Wenn man danach geht, hat der Commissario in seinem ganzen Leben noch nie etwas gegessen.
    Einige Stufen höher kamen sie zu einer großen bunt verzierten Tür.
    Concetta ging hinein, um sie zu melden, und kehrte gleich darauf zurück.
    »Bitte, treten Sie ein. Es ist die Tür ganz hinten. Ich warte unten auf Sie.«
     
    Sie durchquerten ein großes unordentliches Zimmer, eine Mischung aus Salon und Bibliothek. Darin stand ein wuchtiger, mit offenen und geschlossenen Büchern überhäufter Schreibtisch, auf dem einige Blätter verstreut lagen, die mit einer dichten, schrägen Schrift bedeckt waren. Eine Wand des Zimmers wurde vollständig von einem randvollen Bücherregal aus dunklem Holz eingenommen. Ferner gab es zwei Sessel und dazwischen einen kleinen Tisch mit Grammophon; einige Schallplatten lagen am Boden. Auf einem Beistelltischchen standen eine Likörflasche und ein paar leere, benutzte Gläser.
    Der Raum vermittelte den Eindruck, den ganzen Tag über genutzt zu werden – zur Arbeit, zum Vergnügen und zum Ruhen –, und wurde wohl nicht allzu oft aufgeräumt. Durch eine halb geöffnete Glastür, hinter der man es pfeifen hörte, drangen Licht und ein intensiver Blütenduft.
    Ricciardi und Maione sahen sich an und gingen auf die Öffnung zu. Der Brigadiere rief:
    »Ist da jemand?«
    Das Pfeifen hörte auf; eine tiefe, melodische Stimme sagte:
    »Bitte, kommen Sie. Ich bin hier auf der Terrasse.«
    Das Ambiente war recht überraschend. Die Sonne, die gerade im Zenit stand, schien durch die Blätter der vielenunterschiedlichen Pflanzen, und es fehlten nur noch Bäume, wenngleich einige der Rankengewächse Stämme von beträchtlichem Ausmaß hatten. Ricciardi war kein Botaniker, doch war er auf dem Land aufgewachsen, zwischen Feldern und Gärten, und wusste daher, wie viel Aufmerksamkeit und Liebe es erforderte, ein solches nur scheinbar wildes Pflanzengewirr zu schaffen. Wer dieses Freiluftgewächshaus betreute, musste seiner Pflege außerordentlich viel Zeit und große Begeisterung widmen.
    Aus einer Ecke trat ein gut aussehender, etwa dreißigjähriger Mann hervor. Er trug ein weißes, an den Unterarmen hochgekrempeltes Hemd, war schmächtig und von dunklem Teint; eine markante Nase saß über seinem schmalen Schnurrbart. Die schwarzen, gepflegten Haare trug er zurückgekämmt und in der Mitte gescheitelt. Mit einem offenen Lächeln streckte er ihnen die Hand hin.
    »Sehr erfreut. Ich bin Ettore Musso.«
    »Die Freude ist ganz auf unserer Seite, Durchlaucht. Brigadiere Maione vom Polizeipräsidium Neapel, mein Vorgesetzter, Commissario Ricciardi. Herzliches Beileid zu Ihrem Trauerfall.«
    Der Mann sah ihn geistesabwesend an, als habe er nicht verstanden, was Maione gesagt hatte. Dann brach er in schallendes Gelächter aus.
    »Na, Sie sind wirklich gut! Tut mir leid, ehrlich, aber der war zu gut. Mein Trauerfall sagen Sie? Und Beileid?«
    Maione sah verblüfft zu Ricciardi. Der Kommissar hingegen betrachtete Ettore; seine Miene hatte sich nicht verändert. Als er genug gelacht hatte, sagte Musso:
    »Entschuldigen Sie. Mein Benehmen ist unverzeihlich. Bitte, nehmen Sie Platz. Möchten Sie etwas trinken? Oder auch essen?«
    Er setzte sich auf einen

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