Der Sommer des Commisario Ricciardi
schmiedeeisernen Stuhl, der mit zwei weiteren an einem gefliesten Tischchen stand. In der Mitte des Tischs befanden sich eine Kanne Kaffee sowie ein Teller mit süßen Brötchen und Marmelade. Entschuldigend fügte er hinzu:
»Ein verspätetes Frühstück. Ich bin gestern erst sehr spät eingeschlafen, fürchte ich, und noch nicht lange wach. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Die Polizisten setzten sich. Das Wesen des Mannes war einnehmend und die Umgebung angenehm. Die Pflanzen waren erst kürzlich gegossenen worden; sie spendeten Schatten und Feuchtigkeit, brachten Erfrischung. In der Ecke mit dem Tischchen gab es keine Insekten, deren Summen sonst auf der ganzen Terrasse zu hören war. Ricciardis Gedanken erratend, erklärte Ettore:
»Bravo, Commissario. Sie haben es bemerkt, nicht? Um die Insekten loszuwerden, muss man nur darauf achten, welche Pflanzen man dorthin setzt, wo man sich aufhalten möchte. Blüten sollte man meiden; sie sind auch von Weitem nett anzusehen, und ihr Duft erreicht einen trotzdem.«
Beim Sprechen hatte er ein Brötchen mit Konfitüre bestrichen, das er nun genüsslich verspeiste. Maione spürte, wie seine anfängliche Sympathie für Ettore sich wieder in Luft auflöste.
Endlich sprach Ricciardi:
»Darf ich Sie nach dem Grund für Ihr Lachen fragen, Durchlaucht? Mir ist der Witz im Satz des Brigadiere nicht ganz klar. Vielleicht ist mein schwacher Sinn für Humor daran schuld.«
Ettore hielt sich kurz zurück, dann lachte er von Neuem los und spuckte dabei Brotstückchen quer über den Tisch.
»Ich bitte nochmals um Entschuldigung. Der Grund ist einfach: Der Tod meiner … der Frau meines Vaters war für mich wahrscheinlich die beste Nachricht der letzten Jahre. Deshalb kam es mir absurd vor, dass mir jemand Beileid wünscht, das ist alles.«
Ricciardi sah ihm direkt in die Augen. Er wollte sicher sein, dass das, was er hörte, stimmte.
»Wie ist das möglich? Sie erfahren vom Tod, sogar dem gewaltsamen Tod, einer noch jungen Frau. Wie kann das eine gute Nachricht sein, Durchlaucht?«
Ettore machte eine Handbewegung, wie um etwas Überflüssiges zu verscheuchen.
»Oh bitte, Commissario. Nennen Sie mich Ettore, oder Musso; keine Titel bitte. Ich lege keinen Wert auf solche Förmlichkeiten, es passt nicht zu mir, wirklich. Wie das sein kann, fragen Sie? Nichts einfacher als das: Ich habe diese Frau gehasst. Abgrundtief und aus ganzem Herzen. Hat man Ihnen das nicht gesagt?«
Es folgte ein kurzes peinliches Schweigen, das Ettore dazu nutzte, in aller Ruhe weiter zu essen und anmutig in kleinen Schlucken seinen Kaffee zu trinken. Maione und Ricciardi erschien es unfassbar, dass Ettore am Tag nach einem in seinem Haus stattgefundenen Mord völlig arglos seinen Hass für die Ermordete gestand. Der Mann musste ein wasserdichtes Alibi haben.
Ricciardi fragte:
»Darf ich Sie fragen, wo Sie sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag zwischen Mitternacht und zwei Uhr befanden?«
Es folgte wieder tiefes Schweigen. Ettore betupfte sich den Mund mit einer Serviette, stand auf und streckte sich. Er ging zu einer Öffnung in der Hecke, von der aus die Piazza einzusehen war; um diese Zeit spielten dort unten nur ein paar Kinder, die sich nicht um Sonne und Hitze kümmerten.
»Eine merkwürdige Stadt ist das, in der wir leben. Zwischen Meer, Hügeln und Bergen eingequetscht, wächst sie fortwährend auf sich selbst. Die Gassen werden enger, die Häuser höher. Übereinandergestapelte Menschen, die ständig in Kontakt miteinander sind, nicht zur Ruhe kommen. Niemand bleibt für sich. Warum ich sie hasste, wollen Sie wissen? Ganz einfach. Weil sie nichts mit mir gemein hatte, auch nicht mit meinem Vater, dem Schwächling, und erst recht nicht mit meiner Mutter, deren Andenken sie durch ihre bloße Gegenwart beschmutzt hat. Deshalb.«
Sein Ton hatte sich nicht verändert, blieb fröhlich und plaudernd. Er schien vom Wetter oder von den Pflanzen zu reden.
»Sie hat sich durch eine Täuschung in unser Haus eingeschlichen, durch Täuschung hat sie meinen Vater bezirzt, durch Täuschung hat sie Freunde und Liebhaber gewonnen. Sie hat sich unseres Namens bemächtigt und ihn wie ein Kleidungsstück getragen, sich nicht darum geschert, wer ihn schon jahrhundertelang vor ihr trug. Deshalb habe ich ihn auch nicht mehr benutzt. Sie hat uns alle mit Schande befleckt, in aller Öffentlichkeit Ehebruch begangen und sogar ihren Liebhaber, einen verheirateten Mann mit Kindern, hierher gebracht.«
Die nun
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