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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Bristol einen ebenso aufgeschlossenen Arzt zu finden. Denn dorthin werde sie mit ihrer Tochter und den beiden Söhnen nun zurückkehren. Die Kinder seien sowieso mehr am Avon zu Hause als an der Elbe, und sie selbst halte hier nichts als bittere Erinnerungen. Auch Cornelius van Smid, fügte sie lächelnd hinzu, werde seinen Wohnort nach Bristol verlegen, um dort für seine Familie ein Kontor zu führen.
    Madame Marburgers Fehlen hatte nichts zu bedeuten, die Herrmanns waren einfach nicht mit ihr bekannt. Es solle ihr trotz des Eklats um die üblen Taten ihres toten Gatten recht gut gehen, so hatte die Bilserin Struensee erzählt, und im Übrigen sehe man nun stets Pagerian an ihrer Seite, und das nicht nur in der Kutsche, am letzten Sonntag habe er sogar ihre Kirchenbank geteilt und noch vor ihren fünf Töchtern neben ihr gesessen.
    In der Stadt wurde die Zuckerbäckerwitwe eher bedauert als gemieden. In spätestens einem Jahr, dachte Struensee, würde niemand mehr von Marburger als einem Mörder, Betrüger und Despoten sprechen. Man würde seiner als eines verdienstvollen Bürgers dieser Stadt und als eines bedauernswerten Opfers gedenken, eines Mannes, der wohl in seiner Jugend ein wenig gefehlt, aber schwer dafür gebüßt hatte. Kosjan jedoch, oder Laurentus, würde als ein teuflischer Verbrecher im Gedächtnis der Leute bleiben, als ein Fremder, ein Barbar, der Unheil über diese brave Stadt gebracht hatte und der gerechten Strafe auf dem Rad und am Galgen entkommen war.
    Wen hatte Struensee noch in Annes Garten gesehen? Götz Oswald und seine Frau Gerlinde. Sie standen ein wenig steif zwischen den reichen Bürgern, bis Claes sie fand, Gerlinde seiner an diesem Abend ganz besonders strahlenden Gattin anvertraute und mit dem jungen Zuckerbäcker für einige Zeit im Haus verschwand. Rosina, die Struensee gestern wegen einer verstauchten Hand konsultiert hatte, über deren Ursache sie leider nichts verraten wollte, erzählte ihm, Götz gehe nun doch nicht ins Preußische. Dort hatte man ihm einen hochbezahlten Posten in einer der neuen königlichen Zuckermanufakturen angeboten, die wie überall in Preußen zwar über alle nötigen Gerätschaften verfügten, deren Arbeiter sich aber nicht so gut auf die Kunst des Raffinierens verstanden wie die Hamburger, die ja unbestritten den besten Zucker weit und breit machten. Er werde stattdessen eine neue Zuckerbäckerei in Hamburg eröffnen. Er habe einen wohlhabenden Kompagnon gefunden, der mit ihm einen äußerst günstigen Vertrag abgeschlossen habe.
    Struensee war heute sehr vergnügt. Dieser bedrückende Juni mit all seinen Schrecken hatte sich endlich zum Guten gewendet. Selbst die Witwen der beiden erschlagenen Männer schienen nicht am Abgrund seelischer Pein zu stehen.
    Nur von dem armen Dichter Lysander Julius Billkamp sprach niemand mehr. Aber vielleicht erschien er Doktor Kletterich, der ihn im Pesthof auf diesen mörderischen Stuhl gebunden und zu Tode geschleudert hatte, noch ab und zu in einem Albtraum. So wäre auch er nicht ganz von der Erde verschwunden.
    Ein Komet wurde in diesem Sommer übrigens nicht über der Stadt gesehen, nicht einmal ein winzig kleiner. Selbst der junge Astronom Bode konnte durch sein Teleskop keinen entdecken, der vielleicht der begrenzten Sehkraft der menschlichen Augen entgangen wäre, und auch aus anderen Städten kam keine Kunde von einem solch außerordentlichen Ereignis.
    Struensee behauptete später, er habe sowieso nicht an den Humbug dieses Kometenbeschwörers geglaubt, und die Männer in den Kaffeehäusern waren ausnahmsweise ganz seiner Meinung. Gerson allerdings lächelte und schwieg. Er wusste zu genau um die Begrenztheit, der der menschliche Geist wie auch die Sehkraft unterworfen waren. Und er wusste, wie gering die Kraft einer noch so meisterhaft geschliffenen Linse war, wenn man sie an der Unendlichkeit des Himmels maß.
    Struensee gab der dicken Gret alias Paladin die Sporen und galoppierte vergnügt nach Nordwesten.
    Wovon er an diesem Morgen nichts ahnte und gewiss auch niemals erfahren würde, war die Ankunft eines ganz besonderen Briefes. Claes fand ihn eines Morgens in seiner Post. Er kam aus Marseille und war mit dem Namen Munadschim Abdullah unterzeichnet. Er schrieb, das Schiff, das ihn in seine Heimat zurückbringen werde, liege zum Auslaufen bereit. Nun sage er adieu und hoffe, Claes sei so wohlbehalten wieder in seine Stadt zurückgelangt wie er in diesen sicheren Hafen. Er möge ihm jene dunkle Nacht

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