Der Sommer des Kometen
Elbe ins Hannoversche geschickt. Aber selbst wenn man sich dort entschloss, ihn zu verfolgen, war sein Vorsprung viel zu groß, als dass ihn noch jemand fangen könnte.
Aber vielleicht, hoffte Wagner still, bricht er sich ja unterwegs den Hals.
So saß er mit den anderen am Tisch, freute sich über das unerwartete gute Frühstück und betrachtete Rosina.
Leider saß sie nicht bei ihm, sondern neben Sebastian. Sie trug wieder eines von Annes Kleidern und wärmte sich in einem ihrer großen weichen Tücher. Wenn sie zuerst auch gedacht hatte, sie sei so wach, dass sie nie wieder schlafen könne, dauerte es nicht lange, bis die fröhlichen Stimmen um sie herum ihr nur noch wie ein fernes Murmeln erschienen. Sie lächelte dem Weddemeister noch einmal schläfrig zu und stahl sich, behaglich und sicher an Sebastians Schulter gelehnt, in den Schlaf davon.
Auch Titus hörte nicht mehr, was im Salon geschwatzt wurde. Der hatte Rosina, kaum, dass er sie in der dämmerigen Diele entdeckte, an seine breite grasgrüne Brust gedrückt, etwas von ‹Mach so was nie wieder, Mädchen› gemurmelt und sich ganz unauffällig zu Elsbeth in die Küche geschlichen. Aber das ist eine andere Geschichte.
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Epilog
An einem Mittwoch,
drei Wochen nach Johanni
Doktor Struensee und Gret, das Pferd, das er wie alle anderen Paladin nannte, hatten sich aneinander gewöhnt. Zwar zog der große Apfelschimmel immer noch ab und zu die gelben Zähne über die Oberlippe, aber wenn er scheinbar unwillig seine Mähne schüttelte, war das nur ein Zeichen von Übermut. Der Mann auf seinem breiten Rücken hatte ihn heute Morgen aus dem dunklen Mietstall an der Finckentwiete geholt; sein eigenes Pferd, ein sensibler Fuchs, leistete sich wieder einmal eine völlig überflüssige Malaise, und nun ging es hinaus aus der Stadt und über guten festen Boden hinauf nach Elmshorn.
Struensee war nicht nur Stadtphysikus in Altona, sondern gleichzeitig Landphysikus der benachbarten Grafschaft Rantzau. Dort lag vieles im Argen, aber die Zustände in den Apotheken entrüsteten ihn am meisten. Gegen die Kurpfuscherei, gegen sogenannte Geheimmittel, Wundertränke und Zaubersalben, die fast alle Kot und Urin von verschiedenstem Getier enthielten, in Apotheken teuer verkauft wurden und niemanden gesund machten, zog er immer wieder verbissen zu Felde. Die Quacksalberei nahm überhand, und wenn der Physikus nicht ab und zu eine unerwartete Kontrolle durchführte und dafür sorgte, dass verstaubte Krüge und Büchsen voller ungewisser Ingredienzen in stinkenden Fetten aus den Regalen verschwanden, würde den Leuten weiter getrocknetes Katzenhirn gegen Schwindelgefühle und mit Branntwein vermischter Schaf- und Gänsekot gegen die Blattern aufgeschwatzt werden. Oder das gefährliche Arsenik gegen das Wechselfieber, während die heilsame Chinarinde gemieden wurde wie Teufelswerk. Die Leute nahmen die ekelhaften Mittel ein, und wenn sie sich darauf nur heftig erbrachen, war ihnen schon die heilsame Wirkung bewiesen. Es war ein Kampf gegen Windmühlenflügel.
Aber die Apotheken im Rantzauischen waren noch weit, jetzt wollte Struensee nur den Ritt durch den frischen sonnigen Morgen genießen. Der Himmel strahlte in tiefem Blau, dicke weiße Schönwetterwolken schoben sich hoch über das satte grüne Land, und der Weiße Steinklee am Rande des Weges duftete süß.
Er ritt in leichtem Trab, beugte sich vor und klopfte den kräftigen, etwas gedrungenen Hals des Pferdes.
«Ist das nicht herrlich, Paladin?», rief er und blickte glücklich über die weite Ebene. Der Sommerwind trieb sanfte Wellen durch die zartblauen Blütenseen der Flachsfelder, auch der Roggen stand schon hoch, und die Luft prickelte vom herben Geruch des Heus, das die Bauern auf den Wiesen wendeten.
Er dachte an das Fest im Herrmanns’schen Garten vor drei Wochen. Claes Herrmanns hatte sein nasses Abenteuer mit einem leichten Fieber, das allerdings nur zwei Tage anhielt, überstanden. Zu Johanni luden er und Anne in den Harvestehuder Garten. Wer in der Stadt auf sich hielt, war der Einladung gefolgt und drängte sich zwischen den Bäumen an der Alster. Selbst der alte Telemann war da und wich Herrmanns’ Tante Augusta, die zu aller Freude endlich aus Pyrmont heimgekehrt war, nicht von der Seite. Er hatte seine Stadtmusiker mitgebracht, und die bewiesen, wie gut sie sich auch auf die allerweltlichsten Melodien verstanden.
Die Komödianten erfreuten die Gäste mit einem hübschen
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