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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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obwohl er nun schon einige Jahre mit den Komödianten reiste, dachte Sebastian immer noch kühl wie ein Student der Jurisprudenz. Das behauptete jedenfalls Rosina.
    «Nun gut, aber Theater, sinnvolles Tun oder gar beides zusammen wird Billkamp nicht mehr helfen.» Rohding hatte den vorrückenden Zeiger der Standuhr gesehen. «Und wegen Billkamps Tod sind wir heute hier. Allerdings frage ich mich, was es da noch zu reden gibt? Natürlich muss im Pesthof vieles verbessert werden, aber wo nicht? Und das werden wir heute ganz sicher nicht mehr bewältigen.»
    Rosina warf Sebastian einen hilfesuchenden Blick zu, aber der verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich zurück, sah aus dem Fenster und schwieg. Rosina hatte etwas genommen, das ihr nicht gehörte. In bester Absicht, aber es war ihm trotzdem peinlich. Würden nun nicht alle denken, das Stehlen sei ihr, der Komödiantin, etwas Selbstverständliches?
    «Wir können ihm nun nicht mehr helfen», sagte sie. «Das stimmt. Aber ich möchte trotzdem wissen, warum er überhaupt in den Pesthof kam. Und vielleicht können wir dann auch herausfinden, warum er sterben musste.»
    «Aber das ist doch ganz klar, der Drehstuhl …»
    «Ja und nein», Rosina griff in die Tasche ihres weiten Rockes, holte behutsam einen gläsernen, sauber verstöpselten Napf hervor und stellte ihn mitten auf den Tisch.
    «Was ist das?» Struensee griff nach dem Napf und drehte ihn neugierig in den Händen.
    «Den habe ich in Billkamps Kammer gefunden. Als alle um den Toten herumstanden, wollte ich nur fort von diesem schrecklichen Anblick. Nun ja, ich will zugeben, dass ich auch ein Ziel hatte. Ich ging zurück zu seiner Kammer, weil ich hoffte, unter den vielen Papieren, die wir vorher auf seinem Tisch gesehen hatten, wäre vielleicht unser Stück. Damit muss es doch irgendeine verhängnisvolle Bewandtnis haben, und ich möchte wissen, welche.»
    «Und? Habt Ihr es gefunden?»
    «Nein, Monsieur Rohding. Aber ich habe dieses Gefäß aus Glas eingesteckt. Ich war in Eile, und irgendetwas daran schien mir seltsam. Ich habe es einfach eingesteckt. Erst vorhin, als wir uns auf den Weg hierher machten, sah ich es noch einmal genauer an, und mir kam ein böser Verdacht.»
    Struensee drehte das kleine Glasgefäß vorsichtig in den Händen. Das Licht des Tages schwand schon, so hielt er es näher ans Fenster und runzelte die Stirn.
    «Irgendeine Quacksalbermischung», sagte er, löste den Stopfen und hielt sich den Napf unter die Nase. «Es riecht vor allem nach Schweineschmalz. Wie eine ganz normale Salbe. Was hältst du davon, Hartog? Denkst du, was ich denke?»
    Gerson nahm den Topf, roch daran und versuchte mit zusammengekniffenen Augen die seltsamen Zeichen zu entziffern, die auf einen aufgeklebten Papierfetzen gemalt waren.
    «Ich denke schon. Diese Zeichen verraten ja, was darin ist. Ihr solltet es außer uns niemandem zeigen, Rosina, sonst kommt Ihr in Teufels Küche.»
    «Richtig», knurrte Struensee, «genau dahin, wo dieses Zeug herkommt. Wenn es das ist, was ich glaube.»
    «Verdammt», Rohding saß nun ganz aufrecht, «hört auf, in Rätseln zu sprechen. Was ist in dem Glas?»
    Er nahm es Gerson ungeduldig aus der Hand, versuchte die Schrift zu lesen, wischte vorsichtig darüber und befeuchtete schließlich seinen Daumen. Hätte Gerson ihm das kleine Gefäß nicht schnell wieder fortgenommen, wären die Zeichen unter Rohdings Prüfung womöglich zu einem unleserlichen Fleck verlaufen.
    «Was tatsächlich drin ist, weiß ich nicht», sagte Gerson bedächtig. «Aber wahrscheinlich ist es etwas, das die Leute, manche Leute jedenfalls, Hexensalbe nennen. Nein, bitte, lasst uns jetzt nicht darüber diskutieren, Rohding, ob es Hexen gibt oder nicht, das ist völlig überflüssig. Aber Ihr wisst auch, dass Kräuter und Wurzeln wachsen, die den Geist verwirren und seltsame Gefühle im Körper hervorrufen. Niemand spricht darüber, weil es zu gefährlich ist. Im Süden verbrennen oder rädern sie immer noch Frauen, die im Verdacht stehen, eine Hexe zu sein.»
    Rosina warf Sebastian einen triumphierenden Blick zu. Gestohlen oder nicht, sie hatte nur etwas gerettet, was sonst unweigerlich im großen Abfallhaufen des Pesthofs verschwunden wäre.
    «So etwas hatte ich vermutet», sagte sie, völlig unberührt von den Ermahnungen der Männer, «und natürlich kann ich damit nicht zur Wedde gehen. Schließlich sind wir Komödianten, die kommen ja gleich nach den Hexen …»
    «Und den Juden»,

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