Der Sommer des Kometen
ermordet. Du glaubst es auch.»
«Halt, halt, meine Liebe. Ich weiß nicht, was ich glauben soll. So schnell geht das alles nicht. Aber ich muss zugeben, was Rosina sagt, klingt nicht ganz unvernünftig. Ich kann ja mal herumhören, was man über Billkamp spricht. Und es ist gut möglich, dass ich seinen Vetter ganz zufällig an der Börse treffe.»
Es war nun fast Abend, und gerade als Anne erklärt hatte, sie wolle Rosina nach Altona kutschieren, um auch all die anderen zu begrüßen, wurde der nächste Besuch angekündigt. Vier Herren standen in der Diele und entschuldigten sich wortreich für diesen Überfall, aber man sei gerade in der Nähe gewesen, und wenn es genehm sei – nur ein Blick in Madame Annes berühmten Garten, dann wolle man auch gleich wieder gehen.
Rosina stand still in einer Ecke der Diele und betrachtete die Besucher, denen sie als Mademoiselle Rosina, eine Freundin des Hauses, vorgestellt worden war. Es war Claes ein wenig peinlich gewesen, dass er ihren Familiennamen nicht nennen konnte, aber sie verriet ihn auch bei dieser Gelegenheit nicht. Sie hatte die Namen der Männer schon wieder vergessen, der große, laute war ein Senator, daran erinnerte sie sich, der junge ein Astronom, und der Mann mit dem kurzen weißen Haar? Er war der Einzige gewesen, der sie bei der Begrüßung aufmerksam angesehen hatte. Sie spürte noch seinen Händedruck, er war irgendwie besonders gewesen. Nicht unangenehm, aber besonders.
Anne musste nun auf ihren Besuch bei den Komödianten verzichten. Als ihr Zweispänner vorfuhr, nahm Christian die Zügel und kutschierte Rosina nach Altona.
Auf der Hälfte des Weges sah sie die Dächer des Pesthofes, und da fiel ihr ein, was an dem Händedruck des Mannes besonders gewesen war: Er hatte sich nicht vollständig angefühlt – der Hand, die die ihre so freundlich ergriffen hatte, fehlte ein Finger. Auch der Name fiel ihr nun wieder ein. Kosjan. Ein ungewöhnlicher Name.
«Hübsch», sagte van Witten und verschränkte die Hände auf dem Rücken. «Wirklich hübsch.»
«Und so natürlich», fügte Bocholt nach einer kleinen Pause hinzu. «Gewiss wird alles noch ein wenig wachsen?»
«Ganz gewiss», antwortete Anne Herrmanns, die zwar viel lieber zu den Komödianten nach Altona gefahren wäre, aber nun, wie es ihrer Rolle als gute Gattin entsprach, zwischen den beiden Männern auf der Terrasse des Hauses in Harvestehude stand, um ihnen ihren Garten zu zeigen.
«Und wann werdet Ihr die Blumenbeete anlegen?»
«In diese Art Garten gehören keine Blumenbeete, Monsieur Bocholt. Er ist nach der Natur angelegt, Ihr könnt ihn auch Park nennen. Darin sind viel freier Platz und viele verschiedene Bäume. Wir haben Kastanien, Rotbuchen, zwei Sommerlinden, einen Ahorn und einige Eschen, am Ufer stehen Trauer- und Kopfweiden, und dort drüben seht Ihr – wie sagt Ihr hier? Ilsebeeren?»
«Elsbeeren», half Bocholt.
«Ach ja. Also zwei Elsbeeren, sie sind noch klein, dort, die mit den weißen Blüten, die wie luftige Büschel aussehen. Die Ulmen erkennt Ihr gewiss, sie stehen ja auch auf den Wällen. Und der einzelne schöne Baum mit den weißen Blütentrauben, Ihr könnt ihren Duft bis hierher atmen, ist eine Robinie.»
Bocholt und van Witten sogen tief die Luft ein und nickten höflich.
«Sehr süß, in der Tat», murmelte Bocholt.
«Die größeren Bäume standen hier schon lange, bevor der erste Garten angelegt wurde», fuhr Anne eifrig fort. «Die anderen werden, wie Ihr schon sagt, noch wachsen. Deshalb erscheint der Garten Euch vielleicht ein wenig leer. Bäume brauchen viel Platz und Zeit. Sie wachsen nicht nur für eine Generation. Im Herbst werden noch mehr Büsche gesetzt werden. Hartriegel, Feuerdorn, vielleicht eine Magnolie. In England», fuhr sie fort, und van Witten glaubte nun eine Spur Trotz in ihren Worten zu hören, «werden jetzt die Gärten vieler Landsitze auf diese Weise umgestaltet. Man lässt dort auch Rotwild, Lämmer und Kühe darin weiden, dafür ist unser Garten leider zu klein. Aber dafür mussten wir nicht erst einen See graben lassen, die Alster ist ja schon da.»
«Kühe? In einem Garten?»
Bocholt hatte die Engländer immer für recht vernünftig gehalten. Aber dem Hochadel, und davon gab es auf der Insel ja jede Menge, war jede Verrücktheit zuzutrauen.
«Blumen», verteidigte Anne ihre Schöpfung, «gibt es natürlich auch. Meinen Blumengarten findet Ihr auf der anderen Seite des Hauses.»
Bocholt schwieg und warf van
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