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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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steht», sagte van Witten gerade, leerte das Soßenkännchen über der letzten Wachtel aus und sog genießerisch den Duft von kross gebratenem Geflügel, Ingwer, Safran und Muskatblüten ein. «Was hat es mit dem Kerl auf sich? Ist das alles Humbug oder Wissenschaft?»
    «Das ist eine sehr interessante Frage», sagte Kosjan, und die anderen nickten.
    Bode, der während des ganzen Essens geschwiegen hatte, errötete. Er war nicht daran gewöhnt, dass eine ganze, dazu noch so vornehme Gesellschaft ihm zuhörte.
    «Nun», begann er und schwieg.
    «Redet nur», ermunterte Claes ihn. «Und falls Ihr Euch in der einen oder anderen Sache irren solltet – wir sind so unwissend, dass wir es nicht bemerken werden. Doch wir hören Euch begierig zu.»
    So nahm Bode noch einen Schluck von dem leichten, prickelnden Wein aus dem westlichen Frankreich, räusperte sich und erzählte, zunächst stockend und dann immer eifriger, dass man über die Kometen noch nicht sehr viel wisse. Sie bekämen ihre Schweife, wenn sie sich der Sonne näherten. Kepler, ein großer Astronom in älterer Zeit, habe gesagt, Kräfte der Sonne rissen feine Teile des Kometen heraus, die dann forttrieben und von der Sonne beleuchtet würden wie ein Stern. Das sehe von der Erde aus wie ein Schweif. Man wisse auch, dass die Kometen auf Kreisbahnen liefen, die jedoch von sehr unterschiedlicher Länge seien.
    «Edmond Halley, ein Landsmann von Euch, Madame», erklärte er zu Anne gewandt, «hat es letztlich bewiesen. Ihr habt gewiss davon gehört, denn der Komet, dessen Wiederkehr er vorausberechnet hat, verursachte großen Aufruhr.»
    Anne nickte. Auch auf Jersey waren damals die Kirchen wie die Klingelbeutel voll wie nie gewesen. Sie überlegte. «Das war vor sechs Jahren?»
    «Vor sieben.»
    «Ja, vor sieben. Und als er dann über den Himmel zog, knieten die Menschen betend am Strand und auf den Höhen und warteten trotzdem darauf, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fiele.»
    «So sind die Leute», sagte Bode streng. «Aber ich glaube nicht, dass je ein Komet herunterfällt. Seine Geschwindigkeit hält ihn auf seiner Bahn am Himmel. Dass Halley sein Erscheinen so genau berechnen konnte, beweist das alles.»
    «Also sehen wir immer den gleichen Kometen, falls wir einen sehen?», fragte nun Claes. «In dem Jahr, als, nun, als ich sehr jung war, stand einer lange über der Stadt, er hatte erst vier, dann sechs Schweife. Die schimmerten zum Schluss rötlich, es war ein sehr unheimlicher Zauber.»
    Er sagte nicht, dass es genau das Jahr gewesen war, in dem Gunda so plötzlich verschwand. Tatsächlich hatte er damals eine Weile gegrübelt, ob es da einen Zusammenhang gebe.
    «Das war ein berühmter Komet, der in vielen Ländern gesehen wurde», erklärte Bode, ohne auf die ganz unwissenschaftliche Frage des Zaubers einzugehen. «Aber es war ein anderer. Monsieur Halley hat den Kometen, der vor einigen Jahren wiederkehrte, bereits 1682 gesehen. Er ist schon lange tot, er nahm seine Theorie also mit ins Grab, ohne deren Beweis erleben zu dürfen. Das ist der größte Jammer für einen Astronomen.»
    «Gewiss ist er nun bei unserem Herrgott», sagte Bocholt, dem diese Diskussion nun doch zu unchristlich wurde, mit frommem Blick, «und sieht alle Kometen ganz von nahem.»
    Kosjan grinste still, und van Witten lachte dröhnend.
    «Gewiss», gab Bode höflich zurück. «Er muss aber auch schon zuvor ganz sicher gewesen sein, denn er hatte berechnet, dass dieser Komet derselbe war wie der, der die Menschen schon 1531 und 1607 verstört hatte …»
    «Wie könnt Ihr Euch nur alle diese Zahlen merken?» Claes war ernstlich erstaunt. «Ich weiß gewiss mit Zahlen umzugehen, aber mit Daten? Ich bin froh, wenn mir einfällt, in welchen Jahren meine Kinder geboren wurden.»
    «Aber sagt uns», mischte sich nun Kosjan ein, «bringt so ein Komet, auch wenn er nicht herunterfällt, Gefahren? Zum Beispiel große Unwetter oder die Pest?»
    «Verzeiht, aber das kann ich nicht sagen. Ich glaube zwar nicht daran, mein Feld ist die akkurate Mathematik. Aber ich weiß auch, wie wenig ich weiß, und in alten Chroniken wird das wohl behauptet. Andererseits gibt es ebenso viele Berichte von Kometen, in deren Gefolge nichts als schönes Wetter und gute Ernten verzeichnet wurden.»
    «Und gegen die böse Kraft des Gewitters», rief Anne, alle damenhafte Ruhe vergessend, «gibt es ein gutes Mittel. Ich habe schon zu meinem Bruder und nun zu meinem Gatten gesagt, wir müssen dafür sorgen,

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