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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Arbeit gestürzt. Allerdings entsprachen ihre Vorstellungen nicht den Erwartungen der Hamburger. Sie ebnete die runden und eckigen, von kleinen Buchsbaumhecken umrandeten Beete, die unter dem wuchernden Unkraut noch gut zu erkennen waren, ein, ließ hölzerne Torbögen verschwinden, sogar das kostbare Labyrinth aus ehemals schmalgeschnittenen Eiben abtragen und machte ganz neue Pläne. Den Hamburgern gefiel nicht besonders, was sie da entstehen ließ. Ein Garten sei ein Garten, sagten sie, der müsse akkurate Beete in geometrischen Formen mit Blumen und Stauden in schön komponierten Farben haben, auch nicht in zu vielen Farben, und das, was da aus dem Herrmanns’schen Grundstück werde, sei gar kein Garten. Ob den Herrmanns denn das Geld ausgegangen sei?
    Daran konnte es wirklich nicht liegen. Selbst wenn Annes Garten nach der Meinung der anderen Gartenbesitzer nicht viel hermachte, war er doch nicht billig, obwohl der teuerste, ein Caneel-Baum aus der Zucht der königlichen Gärten von Kensington, ein Geschenk ihres Bruders Paul gewesen war. Das edle chinesische Gewächs hatte den nasskalten norddeutschen Winter allerdings nicht überlebt.
    Bocholt hatte an diesem Abend mit Kosjan in der
Alten Rabe
gesessen, als van Witten in Begleitung eines jungen Mannes, den beide nicht kannten, vorbeispazierte. Es war schon ungewöhnlich, dass der Senator den weiten Weg aus der Stadt hierher zu Fuß machte, zum einen wegen seiner Würde als Ratsmitglied, aber auch, weil er körperliche Bewegung nie geschätzt hatte. Als er kürzlich zum Frühstück im Palais Schimmelmann gewesen und dem jungen respektlosen Struensee begegnet war, hatte der ihm geraten, sein kostbares, wenn auch ein wenig dickes Blut lieber zu behalten, anstatt es zur Ader zu lassen, und dafür seinen Körper so oft wie möglich auf den eigenen Beinen herumzutragen, denn dazu seien die gemacht. Auch das fand van Witten sehr neu und ungewöhnlich, aber seither hatte er entdeckt, dass diese nicht gerade vornehme Art der Fortbewegung, in Maßen genossen, nicht nur bekömmlich, sondern auch außerordentlich förderlich für seine Verdauung und für seine Heiterkeit war.
    So hatte er sich an diesem Abend mit dem jungen Bode auf den Weg zu Herrmanns nach Harvestehude gemacht, um sich endlich einmal den Garten anzusehen, von dem so viel gesprochen wurde. Und weil Bocholt seinem Gast aus der Fremde gerne alles vorführte, was in der Stadt sehenswert war, schlossen er und Kosjan sich dem Senator an. Van Witten hatte gar nichts dagegen, das letzte Stück des Weges doch nicht auf seinen Füßen, sondern in Bocholts bequemem Zweispänner zurückzulegen.
    Während Bocholt, van Witten und Kosjan Annes seltsamen Garten inspizierten, hatte Claes sich mit van Wittens Begleiter unterhalten. Johann Elert Bode war gerade 19  Jahre alt, aber in Hamburg schon berühmt, bei einigen sogar berüchtigt: Mehr als einmal hatten die Nachbarn seiner Eltern die Nachtwächter gerufen, weil dem jungen Bode die Aussicht aus den Dachfenstern des elterlichen Hauses wieder einmal nicht gereicht hatte und er mitsamt seinem neuen, 14  Fuß langen Fernrohr aufs Dach geklettert war. Am liebsten hätte er seine nächtlichen Beobachtungen von einem der Hamburger Kirchtürme aus gemacht, doch das war ihm bisher verwehrt worden.
    Seine ganze Leidenschaft gehörte den Sternen, und seit er die astronomischen Instrumente und Bücher Johann Georg Büschs, eines der gelehrtesten Männer der Stadt, benutzen durfte, wähnte er sich selbst im Himmel. Bode war ein stiller Mensch. Bis zu dem Moment, da ihn jemand nach seinen Sternen fragte. Claes schwirrte der Kopf.
    «Na, Herrmanns, kennt Ihr Euch nun über den Wolken aus?»
    Van Witten, der mit Anne und den anderen beiden Gästen in das Gartenzimmer zurückkehrte, zwinkerte ihm fröhlich zu.
    «Noch lange nicht», sagte Claes bedauernd, «dazu sind der Himmel zu groß und mein Kopf zu klein. Aber für heute ist es genug, nun lasst uns essen.»
    Das Abendlicht, das durch die weit geöffneten Fenster hereinfiel, verstärkte den warmen Schimmer der gelben Seidentapeten des Speisezimmers und ließ den großen Strauß blutroter Dahlien auf der Mitte des Tisches ein letztes Mal aufglühen.
    Anne und Claes waren mit ihren Gästen schon beim vorletzten Gang, als der Zweispänner wieder in den Hof rollte und Christian das Speisezimmer betrat.
    «Und jetzt, Bode, verratet uns, was Ihr als Astronom von diesem Menschen haltet, der als Kometenbeschwörer auf den Märkten

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