Der Sommer des Kometen
Witten einen peinlich berührten Blick zu. Sie hatten den Garten, an dessen Rand Haselsträucher und schlichte Hundsrosen wucherten, bei der Ankunft gesehen und waren sich nicht einig gewesen, ob der auch zum Herrmanns’schen Besitz gehöre. So ein buntes Durcheinander, recht hübsch und bestimmt wohlduftend, aber wild und ohne erkennbaren Plan und Stil? Nur der alte Walnussbaum, der einen kleinen Brunnen mit einer nackten, einen dicken Fisch tragenden Putte beschattete, zeugte von Ruhe und Würde. Sehr seltsam.
«Dort drüben», Annes Hand wies nun zu einer brachen, nur von einigen struppigen Weißdornbüschen bestandenen Fläche am westlichen Ende des Parks, «wollen wir im Herbst zwei Glashäuser bauen lassen. Man kann darin den ganzen Winter Blumen ziehen, und vielleicht gelingt es auch, einige Ananaspflanzen über die kalten Monate zu bringen.»
«Ananas?» Den Namen hatte van Witten noch nie gehört.
«Eine äußerst delikate Frucht von den Westindischen Inseln. Oder irre ich mich, Madame?» Kosjan war aus dem Haus getreten und sah Anne aufmunternd an.
«Nein, Monsieur Kosjan. Ihr habt ganz recht. Äußerst delikat. Aber auch äußerst empfindlich gegen die Kälte auf dem Kontinent. Auf der Wiese hinter dem Blumengarten habe ich im Frühjahr schon die ersten Obstbäume gepflanzt, nur heimische Sorten, die überstehen auch die größte Kälte. Diese», sie zeigte stolz auf das Spalierobst an der südlichen Hauswand neben der Terrasse, «sind ganz außergewöhnlich. Diese beiden sind Pflaumen, aber die dritte ist eine Aprikose, und der kleine Baum daneben eine Nektarine, der letzte eine Spanische Birne, die köstlichste, die ich je gegessen habe. Sie gedeihen besonders gut, wenn man sie auf Quittenstämmen veredelt. Doch nun, Messieurs, will ich Euch nicht länger mit meinem Gartenlatein langweilen …»
«Aber ich bitte Euch …»
«Auf gar keinen Fall langweilt Ihr uns …»
Bocholt und van Witten waren sehr gut erzogen.
«Es ist nur ein wenig, nun, ich will sagen, ein wenig neu.» Van Witten tätschelte entschuldigend Annes Hand. «Aber das Neue muss ja sein. Sonst führen wir immer noch im Einbaum über die Nordsee. Und wenn ich es recht bedenke, Bäume sind in der Tat stolze, dauerhafte Gewächse, die passen besser zu uns als der höfische Franzosenschnickschnack.»
Bocholt dachte an seinen und des Ersten Bürgermeisters Garten in Hamm und räusperte sich diskret. Aber van Witten hörte ihn nicht. Er hatte beschlossen, sich für diese neue Art von Garten zu begeistern.
«Habt Ihr schon von dem Wörlitzer Garten gehört? Im Anhaltischen?», fuhr der Senator fort. «Fürst Franz legt dort auch so einen Park an, von dem es heißt, er sei ganz nach englischer Manier. Es soll dort alles geben, was er an Laub- und Nadelbäumen auftreiben kann, auch einen künstlichen See, auf dem will er Gondeln fahren lassen. Für Obstbäume hegt er offenbar eine ganz besondere Leidenschaft. Bei Jensen habe ich neulich gehört, er lasse nicht nur wie die Bauern in den Marschen südlich der Elbe ganze Wiesen seines Parks damit bepflanzen, er soll auch Ordre gegeben haben, entlang allen Landstraßen seines Landes Apfel- und Birnbäume zu setzen. Ich finde das unvernünftig. Bei so viel Obst werden seine Landeskinder ständig mit geblähtem Leib herumlaufen. Ich glaube, Bocholt, wir beide sind einfach etwas aus der Mode. Und nun, Madame Anne, glaubt Ihr, Eure Elsbeth hat für uns ungebetene Gäste etwas in ihrer unvergleichlichen Küche gezaubert?»
Annes Garten in Harvestehude war im letzten Herbst Stadtgespräch gewesen. Claes hatte erst im vorletzten Frühjahr ein Haus und einen Garten in Hamm gekauft, als Anne nach Hamburg kam, wurde das Haus gerade neu eingerichtet. Doch schon auf der ersten Spazierfahrt an der Außenalster entlang verliebte sie sich in das seit kurzem unbewohnte Anwesen in der einsamen Landschaft um Harvestehude, und auch wenn diese Gegend nördlich von Böckmanns Gärten noch recht sumpfig war und keineswegs als elegant galt, entschloss sich Claes schnell, den Besitz in Hamm wieder zu verkaufen und dafür dieses Areal zu erstehen. Das fiel ihm leicht, denn mit Hamm verband er schreckliche Erinnerungen an Marias Tod, außerdem war der Garten an der Alster vom Kontor viel schneller zu erreichen.
Das Haus auf den Alsterwiesen hatte einem kauzigen Eremiten gehört – wer sonst baute hier ein Haus? – und war von einem verwilderten Garten umgeben. Anne hatte sich gleich mit Begeisterung in die
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