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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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«haben es mich im letzten Jahr zur Genüge gelehrt. Aber wenn mein Verdacht stimmt, dass Marburgers Tod mit seinen Geschäften oder den Unruhen unter den Zuckerknechten zu tun hat, kann Euer Aufenthalt in diesem Haus gefährlich sein. Niemand darf merken, warum Ihr hier seid. Niemand, auch Pagerian nicht.»
    Der am wenigsten, dachte sie und sagte: «Ich werde mein Bestes tun. Aber die ganze Hilfsschreiberei nützt nichts, wenn ich auf meinem Stuhl sitze und abwarte. Gerade als Ihr kamt, wollte ich in die Zuckerkocherei …»
    «Auf gar keinen Fall. Ihr seid hier, um Augen und Ohren offen zu halten und um vielleicht das eine oder andere Schriftstück, das nicht für fremde Augen bestimmt ist, zu lesen. Aber haltet Euch von den Knechten fern, und …»
    In diesem Moment klopfte es heftig an die Tür, und bevor Rosina von ihrem Stuhl aufspringen konnte, um die verräterische Zweisamkeit zu beenden, wurde die Tür aufgerissen und Wagner, der Weddemeister, stürmte herein.
    «Monsieur Herrmanns», keuchte er, «ich habe Euch gesucht, Euer Sohn sagte, Ihr wäret hier. Ich habe Neuigkeiten – Mademoiselle Rosina? Seid Ihr es?»
    Claes stöhnte. «Wagner, Ihr seid ein Spielverderber. Wieso habt Ihr sie erkannt? So macht doch Euren Mund zu.»
    Wieder eilte Rosina zur Tür, die immer noch weit offenstand, sah in die Diele und auf die Galerie, und zog die Tür ins Schloss.
    «Nicht so laut, lieber Wagner, und nennt mich einfach Mylau.» An Claes gewandt fuhr sie fort: «Wenn er mich erkennt, hat das keine Bedeutung, er hat eben ein besonders gutes Auge. Niemand sonst wird mich hier erkennen, weil mich hier niemand sonst zuvor gesehen hat und schon gar nicht hier vermutet. Die Leute sehen selten, was sie nicht erwarten. Aber schnell, Wagner, sagt zuerst, welche Neuigkeiten Euch so außer Atem gebracht haben?»
    Der ließ das große Tuch, mit dem er vergeblich die schweißnasse Stirn zu trocknen versucht hatte, in der Tasche seines Uniformrockes verschwinden und räusperte sich verwirrt.
    «Und sprecht leise», erinnerte ihn Rosina und legte einen Finger auf die Lippen.
    «Gewiss. Leise.»
    Er starrte sie immer noch an, und ein Hauch von Entzücken trat in seine Augen, aber nur für einen kurzen Moment, dann war er wieder ganz der ernste, unbestechliche Weddemeister.
    «Monsieur Herrmanns, sicher hat das mit unseren Toten nicht das Geringste zu tun, aber es ist doch beunruhigend. Drüben in Altona ist auch ein Mann ermordet worden. Ein ehemaliger Kapitän, Josua Stedemühlen, und es heißt, dass er sich kurz vor seinem Tod in seinem Garten mit einem jungen Mann gestritten habe. Sehr laut und wegen seiner Tochter. Der habe ihm dabei übel gedroht, und die Nachbarn sagen, der sei ein Verehrer der Tochter», er sah auf einen zerknitterten Bogen Papier, «Mademoiselle Lucia Stedemühlen. Er sei ganz gewiss aus Hamburg. Der Tote wurde bei Morgengrauen von seiner Gattin im Gartenpavillon gefunden. Tragisch, in der Tat. Aber andererseits, was mag sie zu dieser Stunde im Garten getan haben?»

11. Kapitel
    Montag, den 16. Junius,
vormittags
    Nach ihrem Streit im Pavillon hatte Gunda Stedemühlen nicht einmal an Schlaf gedacht, doch schon wenige Minuten nachdem sie sich erschöpft, aber mit aufgewühltem Geist in ihre Kissen zurückgelehnt hatte, war sie sofort in einen tiefen traumlosen Schlaf gefallen. Der Lärm zweier Amseln, die im Birnbaum vor ihrem Fenster um den lautesten Gesang wetteiferten, weckte sie schon im Morgengrauen. Obwohl sie nur wenige Stunden geschlafen hatte, war sie hellwach und überlegte, was sie nun tun sollte.
    Das einmal Gesagte war nicht mehr zurückzunehmen, und das wollte sie auch nicht. Auch ihr Entschluss, dieses Leben zu verändern, wankte nicht. Aber der Zorn der vergangenen Nacht war nun milder, und sie fragte sich, ob ihr hartes Urteil nicht sehr selbstgerecht gewesen war. Sie hatte ihm nicht einmal die Chance gegeben zu antworten. Vielleicht gab es eine Erklärung, warum gerade er, ein frommer Mennonit und streng auf Ehre und gute Sitten bedachter Mann, in diese Geschäfte verstrickt gewesen war. Auch das, dachte sie, war ein Übel des viel zu langen Schweigens. Wenn es endlich gebrochen wird, bricht das, was dahinter verborgen war, hervor wie ein Gewittersturm; ohrenbetäubend, ohne Rücksicht und bar aller Milde und Weisheit schlug er eine Schneise der Zerstörung in ein scheinbar ruhiges gut bestelltes Feld.
    Sie war frisch erwacht, doch nun spürte sie im Nacken den dumpfen Druck, der eine

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