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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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lästig, diese Zuckerhutform. Irgendwer machte sich ein makabres Vergnügen.
    «Du solltest dich nicht zu lange mit Oswald aufhalten, Vater. Auch wenn seine Frau noch so innig um ihn trauert, Marburger war beliebt wie Faulfieber. Seine Geschäfte galten oft als fragwürdig, auf seine Rücksichtslosigkeit war er stolz, und seine Vorliebe für Vergnügen auf Kosten anderer war stadtbekannt. Sicher hatte er auch Freunde oder was er dafür halten mochte, aber ich habe immer nur gehört, dass man ihn am besten meide.»
    «Von wem?»
    «Von niemand Besonderem. Es war die allgemeine Meinung über ihn. Du kennst dich in der Stadt und in den Kontoren doch viel besser aus, Vater. Weißt du nicht, wer ihm außer Oswald noch feind war?»
    Wieder schüttelte Claes den Kopf. «Ich dachte, ich kenne diese Stadt wie meine Westentasche. Aber das stimmt wohl nicht. Am besten, ich spreche gleich mit Pagerian. Das Kontor überlasse ich jetzt dir und deinem schlauen Kopf. Mach unserem Haus Ehre, mein Sohn, das lenkt dich von nächtlichen Gartenpartien ab. Wenn du mich brauchst, was ich nicht hoffe, findest du mich heute Abend in Harvestehude.»
    Er pfiff leise und zufrieden vor sich hin, als er das Haus durch die hintere Tür verließ und über den schattigen Innenhof zu den Ställen hinüberging. Es war doch wunderbar, einen Sohn zu haben, dem man für eine Weile die alltäglichen Pflichten aufbürden konnte.
    Brooks sattelte ihm brummig die ältere Stute. Das nervöse Temperament der jüngeren war für die schnellen Ritte vor den Wällen ein reines Vergnügen, für einen ganzen Tag in der Stadt bedeutete es nichts als Ärger. Der Stallmeister war immer noch schlecht gelaunt. Er konnte sich nicht verzeihen, dass er der unvernünftigen Anordnung seines Herrn gefolgt war und ihn im finsteren Labyrinth der Gänge und Höfe allein gelassen hatte. Da musste irgend so ein Fremder kommen, um ihn rauszuhauen. Wäre er, Brooks, an Claes’ Seite gewesen, hätten sich die Räuber gar nicht erst aus ihren Löchern getraut. Wahrscheinlich hatte er damit sogar recht.
    Claes ritt über die Jungfernbrücke und den Katharinenkirchhof und lenkte seine Stute in den Grimm. Die Hufe klapperten hohl auf den runden Kopfsteinen der schmalen Straße, deren Häuser fast alle fünf Böden hoch aufragten. Hier war es endlich ein wenig kühler. Vor Bocholts Haus stand der Hausherr, zeigte auf das Wappen über seinem Portal und erklärte seinem Begleiter dessen Bedeutung. Claes erkannte Kosjan, er sah nur sein Profil, die Augenbraue schien geschwollen, aber sicher war das nur ein Spiel der Schatten. Bocholts rechte Hand lag auf dem Kopf des kleinen steinernen Löwen, der den Stufenaufgang zu dem mit kunstvoll gemeißelten Ranken und Reben verzierten Portal bewachte. Er hörte die Hufe und drehte sich um.
    «Guten Morgen, Herrmanns. Wir wollen uns gerade zur Uhlenhorst rudern lassen. Kosjan will sich dort ein Grundstück ansehen. Warum leistest du uns nicht Gesellschaft?»
    «Guten Morgen», Claes nickte den beiden zu, «an einem anderen Tag sehr gerne, aber heute geht es nicht. Die Pflicht ruft zu laut. Und außerdem, wenn ein Schiff zu klein für ein ordentliches Segel ist, steige ich nur ein, wenn ich unbedingt muss. Mir sind diese Nussschalen einfach zu wackelig, vielleicht liegt’s auch daran, dass ich nicht schwimmen kann.»
    Bocholt nickte ernst. Dass Herrmanns nicht schwimmen konnte, war ihm ohne Belang, wer konnte das schon? Nur Bauernkinder. Aber es ging ihm wenig über hanseatische Strebsamkeit.
    Claes hob die Hand zum Abschied und überlegte, welches Grundstück Kosjan wohl interessieren mochte, er hatte von keinem gehört, das zum Verkauf stand. Und vor allem: Was wollte er damit? Während er über die Zollernbrücke ritt, dachte er darüber nach, warum er Kosjans interessierten Blick nicht nur freundlich, sondern auch ein wenig beunruhigend gefunden hatte.
    Auf dem Nikolaifleet drängten sich viele Schuten und ein paar kleinere Ewer mit umgelegtem Mast. Wieder einmal waren sich zwei von den größeren in die Quere gekommen, und die beiden Schiffsführer stritten, wer nun zurückstaken müsse.
    «Da soll dich doch der Komet treffen, du Dasselkopp», brüllte einer. Normalerweise hätte Claes sich darüber amüsiert, wie schnell selbst ein neuer Fluch in Mode kommt, aber heute war sein Kopf mit anderen Gedanken beschäftigt.
    Auf dem langgestreckten Platz, der zwischen Bank, Rathaus, Niederngericht, Börse und dem Hotel Kaiserhof als das Herz der Stadt

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