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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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galt, herrschte die übliche morgendliche Geschäftigkeit. Zwischen Marktbuden und Verkaufsständen trödelten Mägde und Kontorboten, eilten Köchinnen und Hausfrauen. Kutschen und kleine Fuhrwerke rollten langsam durch die Menge; zwischen den drei Portalen des Rathauses, den Türen der Bank und des Gerichts trugen eilige Männer Dokumente und schwere Gedanken hin und her. Die Börsendiener begannen schon, die ersten Listen an die Säulen der zum Platz hin offenen Börsenhalle zu hängen, und verscheuchten ein paar dürre Hunde, die die Säulen gierig beschnüffelten. Das größte Gedränge herrschte heute jedoch vor einer Bude am Anfang der Trostbrücke. Da wurden seit vorgestern Wetten angenommen, ob mit dem Kometen die Pest, eine Sturmflut oder der Weltuntergang komme. Wetten auf den Tod des Kaisers und ganz besonders des Ersten Bürgermeisters, Magnifizenz Martin Hieronimus Schele, wurden nicht angenommen. Spitzenreiter war eindeutig die Pest. Einer setzte auf einen Brand im Dom, der die Kirche endgültig vernichten würde, damit blieb er allerdings allein, weil das kaum jemand als wirklich bedeutendes Unglück ansah.
    Behutsam lenkte Claes die schwarze Stute durch das Gedränge vor der Börsenhalle, wich der Ratskutsche aus, nickte Elsbeth zu, die mit dem ältesten ihrer Waisenmädchen die frischen Erdbeeren einer Vierländer Bäuerin überprüfte, und hätte Pagerian bestimmt übersehen, wenn der sich ihm nicht einfach in den Weg gestellt hätte.
    «Monsieur Herrmanns, wie gut, dass ich Euch treffe, ich bin Euch wirklich zu Dank verpflichtet …»
    «Wartet, Pagerian, nur einen Augenblick.»
    Claes schwang sich aus dem Sattel und nahm die Stute beim kurzen Zügel. Trotzdem musste er auf den Schreiber des toten Zuckerbäckers hinuntersehen. Pagerian, offenbar selbst sein bester Kunde, trug sein kugelrundes Gesicht über einem kugelrunden Bauch auf sehr kurzen Beinen.
    «Ich bin gerade auf dem Weg zu Euch, Pagerian. Es gibt da ein paar Fragen …»
    «Gewiss, gewiss. Jederzeit. Ich habe schon gehört, dass Ihr dem Senator in diesem tragischen Fall Eure Hilfe gewährt.» Sein strahlendes Gesicht verzog sich schlagartig zu einem Ensemble tiefer Kummerfalten. «Sehr verdienstvoll. Ein paar Fragen, gewiss. Nur leider, gerade jetzt bin ich sehr in Eile, ich werde in der Bank erwartet, es gibt so viel zu regeln. Wenn Ihr Euch ein Stündchen gedulden könntet? Dann bin ich wieder im Kontor und stehe Euch ganz zur Verfügung. Aber bevor ich enteile, lasst mich Euch sagen, der Hilfsschreiber, den der Senator heute Morgen mit Eurer Empfehlung geschickt hat, ist wirklich ein Glücksfall. Nicht dass er viel vom Zuckergeschäft verstünde, das ist ja gar nicht nötig, aber seine Schrift! Exzellent. Und das Französische, wir haben ja so viel Korrespondenz mit Frankreich, ist ihm vertraut wie Monsieur Voltaire persönlich. Und selbst mit den Zahlen», nun schlug er begeistert seine kleinen rundlichen Hände zusammen, «mit den Zahlen macht er keinen Fehler. Ich habe ihn gleich heute Morgen zwei Stunden examiniert, und es war die reine Freude. Aber nun muss ich eilen, die Bank, Ihr versteht. Noch eines, Monsieur Herrmanns, der junge Mylau ist auch ein ernsthafter junger Mann, der die Erfahrungen von uns Älteren zu würdigen weiß. Aber gewiss hat er bei all seiner Jugend schon einiges erlebt …» Er schlenkerte drohend mit der erhobenen Hand. «Die Ursache seiner Narbe, mitten im Gesicht und doch recht männlich kleidsam für einen jungen Mann von zarter Statur, wollte er nicht verraten. Nun denn. In einer Stunde, Monsieur, in einer Stunde.»
    Und schon trippelte er auf seinen kurzen Beinen, die in prächtigen Schnallenschuhen mit ganz außerordentlichen Absätzen steckten, im Gedränge davon.
    Claes erholte sich mit einem tiefen Atemzug von Pagerians begeistertem Redeschwall und rieb sich zufrieden die Hände. Er hatte gleich gedacht, dass Sebastian sich gut einfügen würde. Er war ein ruhiger und gewiss kluger junger Mensch, und seine Ausbildung an der Universität war ganz sicher ausreichend für das Kontor einer Zuckerbäckerei.
    Während er darüber nachdachte, dass es doch beachtlich sei, dass einer wie Pagerian Voltaire lese, führte er die Stute über die Trostbrücke und aus dem Gedränge. Gerade als er sich wieder in den Sattel schwang, um zum Dreckwall zu reiten und mit Sebastian zu besprechen, worauf er als Spion im Hause des Ermordeten zu achten habe, trafen ihn die letzten Worte von Pagerians

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