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Der Sommer hat lange auf sich warten lassen - Roman

Der Sommer hat lange auf sich warten lassen - Roman

Titel: Der Sommer hat lange auf sich warten lassen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Bewerbern daran gescheitert, dass Paul entweder keine Kleinkinder im Haus haben wollte, der kolumbianische Student mit seiner Freundin war ihm zu laut im Auftreten, die Frau, die in einer kleinen Buchhandlung in der Stadt arbeitete, nahm ihm zu wenig Rücksicht, als sie beim ersten Betreten des Gartens anfing, den Löwenzahn, der im Kies des Weges wuchs, auszuzupfen. Ich habe das »Grüne Haus« schweren Herzens verlassen, ich hätte gerne mit jungen Menschen dort gelebt. Wir hätten uns gegenseitig helfen können, vielleicht zu Mittag kochen oder die Kinder ins Bett bringen, wenn die Eltern ausgehen wollten, und die Märchen von Andersen vorlesen, die ich selbst als Kind so gerne gehört habe, besonders die Geschichte von der kleinen Meerjungfrau. Der Umzug ins »Ghetto« war nicht zu verhindern, obwohl ich versucht habe, ihn so lange wie möglich hinauszuschieben. Ich zog zunächst in das Gästezimmer im Parterre, damit ich weniger Treppen steigen musste, doch ich sah bald ein, dass dies keine Lösung war, als ich eines Tages klopfend und schreiend Paul herbeiholen musste, weil ich nicht mehr aus der Badewanne steigen konnte. Inzwischen habe ich mich hier im Heim eingewöhnt, habe meine Rückzugswinkel im weitläufigen Areal des Rheinhofs gefunden, mitten unter den anderen im Foyer, aber auch im hinteren Gartenabschnitt beim Teich, gleich neben der alten mit Moos bewachsenen Mauer und dem kleinen Wasserfall der barocken Grotte, wo ich besonders an heißen Tagen einen kühlen Platz unter den Platanen aufsuche. Das Plätschern bringt mir dann Erinnerungen an Gegenden, die ich früher durchwandert habe, am Hochschwab oder im Engadin, an der Quelle des Inn, oder in der Schlucht bei Scuol, wo die türkisgrünen Wasser des Val S-c harl und Val Mingèr sich durch das scheckig bunte Gestein der brüchigen Felsen gegraben haben. Das versetzt mich in einen glückseligen Zustand, wie früher beim Spazieren auf den lärchengesäumten lichten Wegen, deren Weichheit meinem Gang eine schwebende Leichtigkeit verlieh. An manchen Tagen bedrückt mich die Vorstellung, aus dem Heim nicht mehr wegzukommen. Doch wenn ich mich in meine inneren Welten versetze, bin ich zufrieden mit jedem neuen Tag, den ich ohne Schmerzen verbringen kann und an dem unerwartet ein warmes Lebensgefühl meinen Körper durchströmt.
    Ich sitze am Uferweg des Rheins und sehe fünf Möwen zu, wie sie flussabwärts ziehen, die weißen Flügel getaucht in ein goldgelbes Schimmern, schlanke lange Schatten vor sich auf die leicht gekräuselte grüne Fläche des Wassers werfend. Der laue Dunst des Frühsommers überzieht alles und mir scheint, als würde ich das Licht mit jedem Jahr deutlicher wahrnehmen, als würde es nicht nur die Augen berühren, sondern dem ganzen Körper schmeicheln. Ich habe noch Zeit, erst beim Mittagessen wird Schwester Ines, die heute Tagdienst hat, bemerken, dass ich nicht da bin, nur die Nachricht auf dem Tisch in meiner Zelle wird sie finden, für deren Wortlaut ich mir gestern viel Zeit genommen habe, um nicht alle im Heim zu alarmieren. Das Gepäck habe ich bereits mit dem Taxi zum Bahnhof transportieren lassen, ein Detail auf das ich früher nie gekommen wäre. Nun lehrt mich meine Hilflosigkeit durch rechtzeitiges Planen unabhängiger zu werden von der Hilfe anderer. Ich genieße das Bewusstsein, für ein paar Stunden von niemandem vermisst zu werden, es gibt mir eine innere Freiheit, die mich mit Behagen erfüllt. Wenn niemand wusste, was ich gerade tat und an welchem Ort ich mich aufhielt, fühlte ich mich unbeschwert, und ich verschaffte mir bereits als Mädchen erfindungsreich Freiräume, um der zwanghaften Kontrolle von Onkel Heinrich und Tante Else, bei denen ich in Wien aufgewachsen war, zu entkommen. Jetzt gibt es niemanden mehr, dem ich hier fehlen werde, außer Paul. Lena lebt seit Jahren in London, und heute werden wir uns nach Monaten wieder treffen. Ich freue mich darauf, sie zu sehen. In den letzten Jahren haben wir uns mehrmals heftig gestritten, wenn es wieder um meine Haltung zu ihrer künstlichen Befruchtung ging. Aber im Untergrund schwelt seit ihrem Weggang von zu Hause noch etwas ganz anderes zwischen uns, der Vorwurf an mich, ich hätte Schuld am Tod meines ersten Mannes Max, ihres Vaters. Sie hat keine Ahnung davon, wie sehr ich mich noch heute mit den Erinnerungen an damals quäle. Wenn ich an Max denke, dann fehlt er mir auch heute noch, nach mehr als vierzig Jahren, und er ist jung, wie damals nach dem

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