Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen
möglichen Zugriff vorbereitet.
Frau Saizew hingegen, Jans und Linas Mutter, will von nichts etwas gewusst haben, wie sie unter einem Strom von Tränen beteuerte. Keine Ahnung habe sie gehabt, von dem, was Hauptkommissar Schweigert ihr, neben der Nachricht über Jans Tod, offenbarte.
Sie soll einen Zusammenbruch erlitten haben. Schwerer Schock, hieß es. Also wurde sie vorerst in der Notfallpsychiatrie untergebracht.
Das Grab im Schrebergarten unter den Erdbeerpflanzen hatte man geräumt. Jans Körper war geborgen und zur Rechtsmedizin überführt worden, wo man Linas Aussage untermauern konnte: Nach der Autopsie stand zweifelsfrei fest, dass Jan missbraucht worden war. Außerdem fanden sich in dem Leichnam Süßwasser und öliger Badezusatz, derselbe, der in einer Glasflasche im Bad der Saizews stand, in dem Jan den Tod gefunden hatte.
Doch Linas Bruder war nicht kampflos gestorben. Das verrieten die Hautreste, die so tief unter seinen Fingernägeln saßen, dass selbst das Badewasser sie nicht restlos hatte entfernen können.
DNA eines Mörders und Kinderschänders, der zwar entlarvt war, aber noch frei herumlief. Er hatte vermutlich eine Mordswut im Bauch. Und nichts mehr zu verlieren.
Gar nichts.
Linas letzte Gedanken vor dem Einschlafen
Bilder von dir, Jan.
Von unserem Haus.
Dem Fenster deines Zimmers.
Der Kneipe.
Gepixelt, von Mama.
Von Manni, ebenfalls unkenntlich gemacht.
Dir hingegen kann jeder ungehindert ins Gesicht schauen …
Diese Bilder flimmern über die Fernsehschirme, das weiß ich von Nick. Klar, sie berichten über die neuesten Entwicklungen. Allerdings sehe ich es mir nicht an, schalte auch das Radio nicht ein. Das könnte ich nur mit dir zusammen durchhalten.
Wie oft bist du zu mir gekommen, um mir Trost zuzusprechen? Deine Atemluft streifte mein Gesicht, wenn du deine Hände ausgestreckt und meine Tränen abgewischt hast.
Wenn sie weiter flossen, hast du mich gedrückt und mir wurde richtig übel, weil ich dich so jämmerlich im Stich ließ! Manchmal hielten wir uns umschlungen, bis die Dunkelheit kam und die Sterne aufgingen. Es hat mir geholfen. Wenigstens eine Winzigkeit weit.
Allerdings werden über solche bitteren Momente kaum je Berichte im Fernsehen kommen. Oder im Radio. Auch nicht in den Zeitungen.
Aber natürlich steht das Übrige in sämtlichen Blättern. Ich verfolge diese Meldungen in den Zeitungen ebenfalls nicht. Doch ich las den Artikel in der „Globalen Welt“ allein für mich im Sonnenzimmer. Nur diesen einen. Sachlich war er. Beinahe nüchtern. Nicht annähernd so grauenvoll wie meine Erinnerungen.
Danach habe ich sehr, sehr lange Gitarre gespielt.
Seitdem ich den Bericht kenne und schwarz auf weiß vor mir hatte, dass sie Manni nicht schnappen konnten, seitdem habe ich Angst.
Todesangst.
Was, wenn Manni mich findet?
Er wird mich töten – wie er gesagt hat. Er wird mich töten, weil ich mir das Maul verbrannt habe.
Niuh dinji Filzwio.
Ohne jeden Zweifel.
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GLOBALE WELT
Mittwoch, 31. August 2011
POLIZEI FAND LEICHE
DES VERMISSTEN JAN
Die „Soko Jan“ hat den Leichnam des vermissten Jungen geborgen. Dies erklärte Ina Kampe, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, auf der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz.
Wo man die Leiche fand, wurde aus ermittlungstechnischen Gründen nicht verlautbart. Auch über den Zeitpunkt der Bergung gab die Staatsanwältin nichts weiter bekannt.
Dringend unter Tatverdacht steht ein aus Jans Heimatdorf stammender Mann, der jedoch nicht festgenommen werden konnte. Bei ihm soll es sich um den Lebensgefährten der Mutter des Jungen handeln.
Gegen den verdächtigen Manfred P. wurde Haftbefehl erlassen. Über Details zum Hintergrund der Tat schwiegen sich Staatsanwaltschaft und Polizei vorerst aus.
Bestätigt wurde lediglich, dass der Junge gewaltsam zu Tode kam. Es handelt sich demnach offenbar um eine Verdeckungstat im familiären Umfeld.
Aussage der Zwillingsschwester des Opfers war ausschlaggebend.
Jan S. galt seit Anfang Juni als verschwunden. Die Fahnder vermuteten zuletzt, dass er das Opfer eines Sexualverbrechens geworden sein könnte. Ein Verdacht, der sich nun leider bestätigt, so Kampe.
Demnach verschwand Jan nicht, wie in der, durch die Mutter aufgegebene Vermisstenanzeige angegeben, abends beim Einstellen seines Fahrrads im Garagenhof. Vielmehr hat der Junge die elterliche Wohnung nie verlassen und wurde offenbar auch dort getötet – während die Mutter, Pächterin einer Gaststätte im selben
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