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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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den Sonnenstrahlen, die schräg durchs Fenster fielen. Dann sanken sie leise nieder, um in dem fadenscheinigen Gewebe des alten Perserteppichs zu versinken.
    »Ich weiß nicht, wer Luke ist«, hörte ich mich sagen.
    Das wusste ich tatsächlich nicht und vielleicht würde ich es nie erfahren.
    *
    Luke hatte versprochen, einige Recherchen für Imke Thalheim zu erledigen. Das fiel ihm ein, als er wie ferngesteuert durch die City stolperte, ohne zu wissen, was er tun, wohin er sich wenden sollte. Es war gut, ein Ziel vor Augen zu haben und den Kopf zu beschäftigen. Dabei würde das Chaos in seinem Innern sich legen, und er könnte damit anfangen, halbwegs ruhig über seine Lage nachzudenken.
    Imke Thalheim hatte ihn gebeten, sich eine Weile im Kölner Hauptbahnhof aufzuhalten, Eindrücke zu sammeln und ihr einen Stimmungsbericht zu geben. Luke wunderte sich nicht mehr über die Aufträge, die er von ihr bekam. Er fand diese Art der Arbeit wesentlich kurzweiliger als das Ordnen von Rezensionen, das Katalogisieren von Büchern oder das Versenden von Autogrammen.
    Wo bekam man schon das Herumhängen und Rumgucken bezahlt? Und Imke Thalheim war sehr großzügig.
    Für seine Recherchen benutzte Luke eine kleine Digitalkamera und ein Diktiergerät, das noch schmaler und flacher war als sein Handy. Beides hatte Imke Thalheim ihm zur Verfügung gestellt und Luke arbeitete gern damit. Er konnte diskret vorgehen und fiel nicht auf. Erst ein einziges Mal hatte ihm ein Typ, der sich von ihm beobachtet gefühlt hatte, Schläge angedroht.
    Luke hatte sich sofort zurückgezogen. Er mied Auseinandersetzungen wie die Pest, und er wusste sehr genau, warum. Er war in Jiu-Jitsu ausgebildet, einer von den japanischen Samurai stammenden Kampfkunst der waffenlosen Selbstverteidigung, und er hatte Zeiten hinter sich, die er ohne sie nicht überlebt hätte.
    Dahin, das hatte er sich geschworen, wollte er nie wieder zurück.
    Er streifte durch die Bahnhofshalle und die Colonaden, die unterirdische Kölner Ladenstadt, betrat ein paar Geschäfte, betrachtete das eine oder andere Schaufenster, machte eine Reihe von Fotos, nahm die Geräuschkulisse mit dem Diktiergerät auf und bestellte sich schließlich in einem Coffeeshop einen Milchkaffee.
    Luke gehörte nicht zu den Menschen, die ohne Bücher nicht leben können. Die Arbeit für eine Schriftstellerin hatte deshalb auf seiner Wunschliste nicht gerade ganz oben gestanden. Aber er hatte begonnen, Gefallen daran zu finden. Er hatte ein paar von Imke Thalheims Krimis gelesen und verwundert festgestellt, dass sie ihn faszinierten. Ihre Art zu schreiben ging ihm unter die Haut, und wenn er in ihrem Haus war, dieser geschmackvoll und kostspielig restaurierten alten Mühle, dann fiel es ihm manchmal schwer, sich unbefangen dort zu bewegen. Sätze aus den Büchern spukten ihm im Kopf herum, und die Gedanken mancher Figuren waren ihm so vertraut wie seine eigenen.
    Vom Coffeeshop aus konnte man das Hin und Her der Reisenden gut verfolgen. Luke schaute genau hin, auf der Suche nach etwas Besonderem, das er Imke Thalheim bieten könnte. Doch vielleicht wollte sie das gar nicht, das Außergewöhnliche, vielleicht wollte sie gerade das Alltägliche, um es in ihren neuen Roman einzuflechten. Oder einfach die Sicht eines andern auf die Dinge.
    Heute war es der Bahnhof, morgen die Uni, übermorgen eine Demo. Es war Luke ein Rätsel, wie es ihr möglich war, mit Informationen aus zweiter Hand so glaubwürdig Atmosphäre zu schaffen.
    »Weil Sie gut sind«, hatte sie ihm erst vor Kurzem erklärt. »Und weil Sie so präzise sind, dass es mir vorkommt, als hätte ich die Informationen selbst gesammelt.«
    Imke Thalheim ging mit Lob nicht verschwenderisch um, aber sie äußerte immer wieder, dass sie Luke für einen Glücksgriff hielt. Vielleicht hätte sie ihm bald auch schwierigere, bedeutendere Recherchen übertragen.
    Wenn er nicht aufgeflogen wäre.
    Du wirst kündigen müssen, dachte er bedrückt. Auch das ist vorbei.
    Ein Mädchen bat ihn um einen Euro. Ihr schulterlanges krauses Haar hatte die gleiche Farbe wie das gewellte Fell ihres Hundes. Es war ein schlammiges Blond, fast schon ein Braun, doch anders als das Hundefell hatte es keinen Glanz. Wahrscheinlich bekam das Tier die besten Happen ab. Es war nicht ungewöhnlich, dass Leute, die auf der Straße lebten, sich um das Wohlergehen ihrer Hunde mehr sorgten als um ihr eigenes.
    Luke gab ihr einen Euro, worauf sie ihn um einen zweiten bat. Er erfüllte

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