Der Sommermörder
Kuchen, klebrigen Zuckerguss oder Hamburger macht oder mit Backformen kreisrunde Schinkensandwiches aussticht. Hinterher dürfen die Kleinen alles aufessen, während wir das Chaos beseitigen. Wenn wir Glück haben, macht uns die Mutter eine Tasse Tee.
Ich bin der Clown, ein lauter, fröhlicher, chaotischer Spaßvogel, der ständig über die eigenen Beine fällt. Zach spielt meinen ernsten, miesepetrigen Handlanger.
Wir hatten gerade das Fest einer Fünfjährigen namens Tamsin besucht – einen Raum voller tyrannischer kleiner Mädchen, deren Kleidchen alle aussahen wie Baisers –, und ich war von dem vielen hektischen Gekreische, das zu meinem Auftritt gehörte, schweißgebadet und ziemlich erschöpft. Ich wollte nach Hause, ein Nickerchen machen, in der Badewanne entspannt Zeitung lesen.
»Insekten«, sagte Zach plötzlich. »Ich habe von einem Typen gehört, der mit Reptilien und allerlei Ungeziefer bei Kinderfesten auftritt. Die Kinder dürfen die Viecher anfassen, und das war’s.«
»Vergiss es! Ich werde in meiner Wohnung weder Insekten noch Reptilien halten.«
Nachdenklich schlürfte er seinen Milchshake.
»Wir könnten uns irgendein Insekt besorgen, das die Kinder sticht. Nein, das würde nicht funktionieren, die Eltern würden uns bestimmt anzeigen. Besser wäre ein Vieh, das die Kinder mit einer schlimmen Krankheit ansteckt, die aber erst viel später ausbricht.«
»Klingt gut.«
»Kannst du ›Happy Birthday‹ auch nicht mehr hören?«, fragte er.
»Ich hasse dieses Lied!«
Wir grinsten uns an.
»Du hast heute katastrophal jongliert.«
»Ich weiß. Ich bin aus der Übung. Bestimmt werden sie uns nie wieder einladen. Was mir aber ganz recht ist.
Tamsins Dad hat nämlich den Arm um mich gelegt.« Ich stand auf. »Sollen wir uns ein Taxi teilen?«
»Nein, ist schon okay.«
Wir küssten uns zum Abschied auf die Wange und brachen in entgegengesetzte Richtungen auf.
Es ist ein seltsames Gefühl, in die leere Wohnung zurückzukommen, seit Max vor ein paar Wochen ausgezogen ist. Dabei hatte ich mich gerade erst an seine Anwesenheit gewöhnt: den hochgeklappten Klodeckel, den Schrank voller Anzüge und Hemden, den frisch gepressten Orangensaft und den Schinken im Kühlschrank, den anderen Körper in meinem Bett, der mir nachts sagte, dass ich schön sei, und morgens, dass ich endlich aufstehen solle, weil ich sonst wieder zu spät käme. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass es in meinem Leben jemanden gab, für den ich kochen konnte, jemanden, der für mich kochte, mir den Rücken massierte und mir sagte, ich solle anständig frühstücken. Jemanden, mit dem ich Pläne schmieden und für den ich mein Leben ändern konnte. Hin und wieder hatte es mich genervt, dass dadurch meine Freiheit eingeschränkt war. Max hatte mich gedrängt, ordentlicher zu sein, mein Leben besser zu organisieren. Er fand mich zu schlampig, zu verträumt.
Die Eigenschaften, die ihm anfangs an mir gefallen hatten, begannen ihn zu nerven. Jetzt aber stellte ich fest, dass es mir fehlte, mein Leben mit jemandem zu teilen. Ich musste erst wieder lernen, allein zu leben und ungehemmt meiner Selbstsucht zu frönen: Endlich konnte ich wieder im Bett Schokolade essen, mir abends Porridge machen, Meine Lieder – meine Träume auf Video ansehen, nach Lust und Laune Notizzettel an die Wand pinnen und schlechter Laune sein. Ich konnte jemand Neuen kennen lernen und mit der ganzen Schwindel erregenden, herrlichen und schrecklichen Karussellfahrt von vorn beginnen.
Um mich herum wurden meine Freunde und Freundinnen langsam sesshaft. Sie arbeiteten in den Berufen, die sie gelernt hatten, mit Rentenversicherungen und Zukunftsaussichten. Sie hatten Hypotheken, Waschmaschinen, feste Bürozeiten. Viele waren verheiratet, einige besaßen sogar schon Kinder. Vielleicht war das der Grund, warum Max und ich uns getrennt hatten: Uns war einfach klar geworden, dass wir kein gemeinsames Bankkonto eröffnen und Kinder mit seinem Haar und meinen Augen haben würden.
Ich begann verwickelte und leicht beängstigende Überlegungen darüber anzustellen, wie viel von meinem Leben ich schon gelebt hatte und wie viel Zeit mir noch blieb – was ich bisher getan hatte und was ich alles noch tun wollte. Ich bin achtundzwanzig. Ich rauche nicht, oder höchstens ganz selten, und ich esse viel Obst und Gemüse.
Ich gehe jede Treppe hinauf, statt den Lift zu nehmen, und man hat mich auch schon mal joggen gesehen. Ich nehme an, dass ich noch mindestens
Weitere Kostenlose Bücher