Der Sommermörder
dass neunundsiebzig Prozent aller männlichen Wesen, die ich kennen lerne, mit mir ausgehen wollen. Wieso wirkte ich auf Männer kein bisschen einschüchternd? Ich sah ihn an. In meinem Kopf setzte keine Geigenmusik ein. Nein.
»Das ist mein Partner«, sagte ich. »Wir müssen leider gleich weg. Und …«, ich legte eine angemessene Pause ein, ehe ich weitersprach, »… ich fühle mich zurzeit ein bisschen daneben. Ich bin noch nicht bereit für etwas Neues. Tut mir Leid.«
»Natürlich«, antwortete Morris, wich dabei aber meinem Blick aus. »Ich verstehe das vollkommen.«
Das war nett von ihm. Er folgte mir zur Tür, wo ich ihn Zach vorstellte. »Vor dir steht ein Mann«, erklärte ich,
»der ins Haus kommt und kostenlos Computer repariert.«
»Wirklich?«, fragte Zach interessiert. »Meiner streikt auch gerade. Ich habe keinen blassen Schimmer, woran das liegen könnte. Würden Sie eventuell mal einen Blick darauf werfen?«
»Tut mir Leid«, antwortete Morris. »Das war ein einmaliges Angebot.«
»Typisch«, meinte Zach mit düsterer Miene. »Das geht mir immer so.«
Morris nickte mir noch einmal freundlich zu, und weg war er.
Ich habe sie gefunden. Meine perfekte Dritte. Sie ist klein, wie die anderen, aber stark, voller Energie. Sie sprüht geradezu vor Energie. Sie hat honigfarbene Haut, glänzendes, kastanienbraunes Haar, das immer zersaust wirkt, grünbraune Augen, deren Farbe an Walnüsse erinnert, kupferrote Sommersprossen auf Nase und Wangen. Herbstfarben für das Ende des Sommers. Ein energisches Kinn. Weiße Zähne. Sie lächelt oft, legt beim Lachen den Kopf zurück, begleitet ihre Worte mit Gesten.
Kein schüchternes Mädchen, sondern eines, das sich in seiner Haut wohl fühlt. Wie eine Katze am Kamin. Ihre Haut sieht aus, als würde sie Wärme abstrahlen. Ihre Hand war warm und trocken, als ich sie geschüttelt habe.
Schon in dem Moment, als ich sie sah, wusste ich, dass sie genau richtig für mich ist. Meine Herausforderung. Meine Liebste. Nadia.
3. KAPITEL
ir brauchten noch einen zusätzlichen Trick.« Zach W runzelte die Stirn, während er mich über seinen schaumigen, rosafarbenen Milchshake hinweg ansah.
»Auf jeden Fall was Neues.«
»Warum?«
»Für den Fall, dass wir irgendwo ein zweites Mal eingeladen werden.«
Ich kann zwei Zaubertricks (drei, wenn man den Zauberstab mitrechnet, der in mehrere Stücke zerfällt, wenn ich an seinem hinteren Ende einen kleinen Hebel betätige – für alle, die jünger als vier sind, eine höchst erstaunliche Sache). Beim ersten Trick lege ich einen weißen Seidenschal in eine leere Tasche – die Kinder wissen, dass sie leer ist, weil mehrere von ihnen ihre kleinen knuddeligen Hände hineingesteckt haben, bevor ich anfange – und dann, hey presto, wenn ich ihn wieder herausziehe, ist er plötzlich rosa und lila gebatikt. Beim zweiten Trick lasse ich Bälle verschwinden und wieder auftauchen. Beides sind extrem einfache, elementare Tricks. Im Lauf der Jahre habe ich sie so oft vorgeführt, dass ich sie mittlerweile perfekt beherrsche. Das Wichtigste ist, dass man seine Zuschauer dazu bringt, in die falsche Richtung zu sehen. Wenn sie dann vor Überraschung nach Luft schnappen, muss man der Versuchung widerstehen, das Ganze zu wiederholen. Und man darf niemandem – nicht einmal neugierigen Eltern –
verraten, wie sie funktionieren. Einmal bin ich diesem Grundsatz Max gegenüber untreu geworden. Ich zeigte ihm den Trick mit den Bällen, und er war total verblüfft.
Und neugierig. Wie hast du das gemacht, wie hast du das gemacht? Er ließ mir keine Ruhe. Als ich es ihm schließlich zeigte, fiel ihm vor Enttäuschung die Kinnlade herunter. Und das ist alles? Was hast du denn erwartet!, schrie ich ihn an. Es ist doch bloß ein gottverdammter Trick!
Jonglieren kann ich auch, allerdings nur mit drei Bällen, wie die meisten Leute. Nichts Schwieriges. Das einzig Besondere ist bei mir, dass ich nicht nur die üblichen bunten, mit Bohnen gefüllten Säckchen verwende, sondern auch mit Bananen, Schuhen, Tassen, Teddybären oder Schirmen jongliere. Die Kinder sind immer total begeistert, wenn ich beim Jonglieren ein Ei fallen lasse.
Sie glauben, dass ich es absichtlich tue, um den Clown zu spielen.
Das Puppentheater ist eher Zachs Domäne. Ich kann bloß zwei verschiedene Stimmen, und selbst die klingen völlig identisch. Manchmal veranstalten wir auch Kochpartys: Wir bringen sämtliche Zutaten mit und zeigen den Kindern, wie man kleine
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