Der Sommermörder
ich noch irgendwo eine Tasse finde.«
»Darf ich kurz Ihr Bad benutzen?«
»Klar, es ist gleich nebenan. Kann ich mich schon im Voraus für das Chaos entschuldigen?«
»Was schulde ich Ihnen?«, fragte ich.
»Gar nichts«, antwortete Morris. »Für die paar Handgriffe nehme ich kein Geld.«
»Kommt gar nicht in Frage! Sie mussten schließlich extra herfahren. Bestimmt haben Sie so was wie eine Grundgebühr.«
Er lächelte. »Ja. Eine Tasse Kaffee.«
»Wie wollen Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen, wenn Sie durch die Gegend fahren und umsonst arbeiten? Sind Sie so eine Art Mahatma?«
»Nein, nein, ich mache ganz verschiedene Dinge mit Computern, Programme installieren, Einsteigerkurse an Schulen, alles Mögliche. Das hier ist bloß eine Art Hobby.« Er schwieg einen Moment. »Und was machen Sie?«
Mir war immer ein bisschen flau zu Mute, wenn dieses Thema zur Sprache kam. »Es ist kein richtiger Beruf, und als meinen Traumjob würde ich es auch nicht bezeichnen, aber im Moment arbeite ich als eine Art Entertainerin. Auf Kinderfesten.«
»Wie bitte?«
»Jetzt wissen Sie, was ich mache. Zusammen mit meinem Partner Zach – meinem Geschäftspartner, meine ich – besuche ich Kinderfeste und führe ein paar Tricks vor. Wir lassen die Kids eine Wüstenspringmaus streicheln, binden ein paar Luftballons zu witzigen Formen zusammen, veranstalten ein kleines Puppentheater.«
»Erstaunlich«, sagte Morris.
»Kein sehr aufregender Job, aber man kann mehr oder weniger davon leben. Jetzt wissen Sie auch, warum ich so was Lästiges wie Buchführung machen muss. Tut mir wirklich Leid, Morris, ich fühle mich ziemlich blöd, weil ich Ihre Zeit vergeudet habe. Ich kann verstehen, wenn Sie meine Darbietung des hilflosen weiblichen Wesens nicht besonders witzig finden.«
»Hätte Ihr Freund das nicht für Sie machen können?«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich einen Freund habe?«, fragte ich ein wenig misstrauisch.
Morris wurde rot. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten«, sagte er. »Ich habe nur den Rasierschaum im Bad gesehen. Und die zweite Zahnbürste.«
»Ach, das. Max – das ist der Typ, mit dem ich zusammen war – hat ein paar Sachen dagelassen, als er vor ein paar Wochen ausgezogen ist. Sobald ich es schaffe, meinen Großputz zu starten, landet das alles in der Mülltonne.«
»Tut mir Leid«, sagte er.
Ich hatte keine Lust, weiter über dieses Thema zu reden.
»Dann ist mein Computer also wieder voll funktionsfähig!«, sagte ich munter, bevor ich meinen letzten Schluck Kaffee trank.
»Wie alt ist die Kiste? Drei Jahre?«, fragte er.
»Keine Ahnung. Er hat mal dem Freund eines Freundes gehört.«
»Ich verstehe nicht, wieso Sie mit so einem alten Ding arbeiten.« Er betrachtete meinen Computer aus zusammengekniffenen Augen. »Sie brauchen mehr Speicherkapazität. Schnellere Hamster. Das ist alles.«
»Wie bitte? Schnellere Hamster?«
Er grinste. »Sorry. Das ist so ein Insiderausdruck.«
»Ich besaß als kleines Mädchen mal einen Hamster. Der war überhaupt nicht schnell.«
»Ich wollte damit bloß sagen, dass Sie da ein ziemlich vorsintflutliches Modell haben.«
»Das klingt aber gar nicht gut.«
»Für einen Riesen bekommen Sie ein Gerät mit tausendmal mehr Power. Sie könnten ans Netz gehen. Ihre eigene Website einrichten. Wenn Sie wollen, kann ich das für Sie machen. Es gibt ein spezielles Programm, das Ihnen in null Komma nichts Ihre ganze Buchführung erledigt. Ich könnte Ihnen das installieren, wenn Sie wollen. Dann würden Sie mich als ganz seriösen Computerberater erleben.«
Mir wurde langsam ein bisschen schwindlig. »Das ist wahnsinnig nett von Ihnen, Morris, aber ich fürchte, Sie verwechseln mich mit einer Frau, die dem Leben gewachsen ist.«
»Da liegen Sie völlig falsch, Nadia. Mit dem richtigen Computer ist alles viel einfacher. Damit bekommen Sie Ihr Leben in den Griff.«
»Hören Sie auf!«, erklärte ich in bestimmtem Ton. »Ich will keinen Computer, der mehr kann, sondern einen, der weniger kann. Ich will keine Website. Auf mich wartet Bügelwäsche von sechs Monaten.«
Morris stellte seine Kaffeetasse auf den Tisch. Er machte einen enttäuschten Eindruck.
»Falls Sie es sich doch noch anders überlegen«, sagte er,
»haben Sie ja meine Karte.«
»Ja, die hab ich.«
»Und vielleicht könnten wir … na ja, ich meine, vielleicht könnten wir uns mal auf einen Drink treffen.«
Es klingelte an der Tür. Zach. Gott sei Dank. Es ist eine statistische Tatsache,
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