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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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in der das Kindermädchen und ich aneinander vorbeigeredet hatten, aber dann drängte sich mir die Wahrheit mit einer Unerbittlichkeit auf, die ich fast schmecken konnte – trocken und metallisch. Lena war mit dieser Information freiwillig herausgerückt, ich hatte ihr nichts erzählt. Die Polizeibeamten waren auch dieselben.
    Ich griff nach den beiden Teetassen, aber meine linke Hand zitterte so heftig, dass ich mir einen Teil des kochend heißen Tees über das Handgelenk schüttete. Ich musste die Tasse abstellen und Wasser nachgießen. Dann brachte ich Lynne den Tee und ging ein zweites Mal, um meine eigene Tasse und ein Stück Shortbread zu holen.
    Anschließend setzte ich mich neben Lynne und sah sie an.
    War sie als Leibwächterin abgestellt worden, weil sie die andere Frau nicht gekannt oder gerade weil sie sie gekannt hatte? Hatte sie genauso bei Jennifer Hintlesham gesessen, mit ihr Tee getrunken und so getan, als wäre sie ihre Freundin? Hatte sie zu ihr auch gesagt, dass alles wieder in Ordnung kommen würde und dass sie in Sicherheit sei?
    Ich nahm einen Schluck Tee. Er war so heiß, dass ich mir die Zunge verbrannte und einen Hustenanfall bekam. Als ich mich wieder gefangen hatte, tauchte ich den Keks in die Flüssigkeit und biss den warmen, weichen Rand ab.
    Dann versuchte ich so zu tun, als würde ich Smalltalk machen.
    »Irgendwie kommt es mir immer noch komisch vor«, begann ich. »Ich kriege einen Brief, und plötzlich werde ich Tag und Nacht von einer Polizistin bewacht. Handhabt ihr das immer so, wenn jemand einen Drohbrief erhält?«
    Lynne schien sich in ihrer Haut nicht besonders wohl zu fühlen. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass mir ihre unerschütterliche Miene mittlerweile wie eine Maske erschien.
    »Für mich ist das reine Routine«, erklärte sie. »Ich befolge nur meine Anweisungen.«
    »Und wenn jemand ins Haus käme, um mich zu überfallen, dann würden Sie mich beschützen?«, fragte ich mit einem Lächeln. »So ist es doch gedacht, oder?«
    »Das wird nicht passieren«, antwortete sie. Einen Moment lang hasste ich Lynne, wie ich noch nie im Leben jemanden gehasst hatte. Am liebsten hätte ich mich auf sie gestürzt und ihr mit den Fingernägeln das Gesicht zerkratzt. Wessen Gefühle versuchte sie hier zu schützen?
    Aber mein Hass schwächte sich rasch ab und wurde zu einem dumpfen Schmerz in der Magengegend. Ich trank den heißen Tee aus, so schnell ich konnte. Ich brauchte Zeit, um über alles noch mal in Ruhe nachzudenken. Das Telefon klingelte. Es war Zach. Ich erklärte ihm, dass ich Migräne hätte.
    »Migräne?«, fragte er. »Woher weißt du, dass es Migräne ist?«
    »Weil es sich so anfühlt. Ich muss mich hinlegen.«
    Was ich anschließend auch sofort tat. Dann versuchte ich, mir all die Ereignisse der letzten Tage ins Gedächtnis zu rufen. Es war, als würde ich durch ein Haus wandern, in dem meine Erinnerungen wie Gegenstände herumstanden. Ich griff nach einem Stück, untersuchte es eingehend und musste feststellen, dass es plötzlich ganz anders aussah als zuvor. In erster Linie dachte ich an Cameron. Cameron, wie er in der Ecke saß und mich mit einem fast schon gierigen Blick musterte, Cameron, wie er mich auszog, als wäre ich ein schönes, wertvolles, sehr zerbrechliches Objekt. Cameron, wie er mich unendlich sanft und zärtlich streichelte. Cameron, wie er den Kopf zwischen meinen Brüsten vergrub. Was hatte er gesagt?
    »Ich muss ehrlich zu dir sein.«
    Das waren seine Worte gewesen. Ehrlich.
    Am Abend machte ich mit Lynne einen kleinen Spaziergang, und wir kauften uns Fish and Chips. Ich pickte ein bisschen daran herum, trank eine Flasche Bier und sagte kaum ein Wort. Lynne warf mir immer wieder fragende Blicke zu. Ob sie wohl ahnte, dass ich Verdacht geschöpft hatte? Wieder zu Hause, verschwand ich gleich ins Bett, obwohl es noch nicht mal dunkel war. Ich lag einfach da und lauschte den Geräuschen der Straße, der Samstagnacht in Camden Town. Meine Gedanken rasten, und je mehr ich nachdachte, desto größer wurde meine Angst. Sie kroch in mir hoch wie die Feuchtigkeit in den Wänden eines Hauses. Als ich schließlich einschlief, quälten mich Träume.
    Morgens beim Aufwachen konnte ich mich an ihren Inhalt nicht mehr erinnern. Das ist immer so bei mir, aber diesmal war ich froh darüber, als wüsste ein Teil von mir sehr genau, was ich geträumt hatte, und wollte es so schnell wie möglich wieder vergessen. Das Telefon klingelte. Ich kroch aus dem

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