Der Sommermörder
Bett und ging ran. Es war Cameron. »Ich hatte gerade einen Moment Zeit«, sagte er leise. »Du fehlst mir so.«
»Gut«, antwortete ich.
»Ich muss dich unbedingt sehen«, flüsterte er. »Ich kann nicht mehr ohne dich sein. Ich habe es so eingerichtet, dass ich am Spätnachmittag hier wegkomme. Ist es dir recht, wenn ich gegen vier bei dir bin?«
»O ja«, antwortete ich.
* * *
Ich war den ganzen Tag wie benebelt. Ein paar Stunden lang lief ich mit Lynne auf dem Markt von Camden Lock herum, aber nur, weil ich auf diese Weise nicht so viel mit ihr reden musste, zumindest nicht über wichtige Themen.
Ich hatte einfach keine Lust, mir weitere Lügen anzuhören. Um Punkt vier stand Cameron vor der Tür. Er trug Jeans und darüber ein lässiges blaues Hemd.
Unrasiert und leicht zerknittert, erschien er mir attraktiver denn je, weniger zugeknöpft. Er erklärte Lynne, dass er gekommen sei, um sie für zwei Stunden abzulösen und mit mir ein paar Dinge zu besprechen, die den Ablauf der nächsten Woche beträfen. Wie immer hatte Lynne es nicht eilig wegzukommen. Ob sie vermutete, dass zwischen uns etwas lief? Wunder wäre es keins gewesen. Diesmal aber fand ich das Warten nahezu unerträglich. Ich hatte das Gefühl, mich kaum mehr beherrschen zu können, als würde ich jeden Moment platzen. Endlich ging sie.
Cameron schloss sanft die Tür hinter ihr und drehte sich zu mir um.
»O Nadia!«, stieß er hervor.
Langsam ging ich auf ihn zu. Seit unserem kurzen Telefonat am Morgen hatte ich mich auf diesen Moment vorbereitet. Er streckte die Arme nach mir aus. Ich ballte die Faust, so fest ich konnte. Als ich nur noch einen Schritt von ihm entfernt war, schlug ich ihm mit aller Kraft ins Gesicht.
10. KAPITEL
r hob die Hände. Wollte er mich bloß abwehren, oder hatte er vor zurückzuschlagen
E
? Ich reckte das Kinn
vor und sah ihn herausfordernd an, aber er ließ die Hände sinken und trat einen Schritt zurück.
»Was zum Teufel soll das?« Er sagte das nicht laut, aber in eisigem Ton. Sein Blick war kalt. Plötzlich wirkte sein sonst so attraktives Gesicht dumm und bösartig. Voller Genugtuung stellte ich fest, dass ihm an der Nase, wo ich ihn mit dem Ring getroffen hatte, ein wenig Blut hinunterlief.
»Ich weiß es, Detective Inspector Stadler.«
»Was?«
»Ich weiß alles.«
»Wovon redest du überhaupt?«
»Hat es dich angemacht?«
»Was?«, fragte er wieder. »Was?« Er wischte sich das Blut von der Nase und sah sich seine Finger an.
»Es hat dich tatsächlich angemacht, stimmt’s? Was für eine erregende Vorstellung, eine Frau zu ficken, die bald sterben wird!«
»Du bist ja total hysterisch!«, sagte er verächtlich.
Ich rammte ihm einen Zeigefinger in die Brust. »Jennifer Hintlesham. Kommt dir der Name irgendwie bekannt vor?«
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, allmählich schien es ihm zu dämmern. »Nadia«, sagte er. Er trat einen Schritt auf mich zu und streckte die Hand aus, als wäre ich ein wildes Tier, das es zu besänftigen galt. »Nadia, bitte!«
»Bleib, wo du bist, du – du –« Mir fiel kein Wort ein, das gemein genug gewesen wäre. »Was hast du dir dabei gedacht? Wie konntest du mir das antun? Hast du dir dabei meinen toten Körper vorgestellt?«
Seine Miene wirkte mit einem Mal verschlossen. »Wir haben dir doch gesagt, dass wir die Drohungen ernst nehmen«, antwortete er mit ausdrucksloser Stimme.
»Du verdammter Heuchler!« Ich gab ihm eine Ohrfeige.
Am liebsten hätte ich ihn richtig verletzt, verstümmelt, am Boden zermalmt. »Ich glaub’s einfach nicht«, sagte ich.
»Nicht zu fassen, dass ich mit dir ins Bett gegangen bin.«
Ich sah ihn voller Abscheu an. »Mit einem verheirateten Mann, den es anmacht, mit einer Frau Sex zu haben, die er eigentlich beschützen sollte.«
»Wir beschützen dich ja.«
Zu meinem eigenen Entsetzen brach ich in Tränen aus.
»Nadia!« Obwohl er sehr leise sprach, schwang in seiner Stimme eine Spur von Triumph mit. »Nadia, Liebling, es tut mir so Leid! Es hat mir total widerstrebt, dir das zu verschweigen.«
Ich spürte seine Hand auf meinem Arm und zuckte zurück.
»Rühr mich nicht an!«, schrie ich und starrte ihn durch einen Schleier aus Tränen an. »Ich heule doch nicht deinetwegen! Kapierst du denn nicht, dass ich Angst habe? Ich habe vor lauter Angst das Gefühl, als würde in meiner Brust ein riesiges Loch klaffen!«
»Nadia …«
»Halt den Mund!« Ich zog ein Taschentuch heraus und putzte mir die Nase. Dann
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