Der Sommermörder
Frau aus?«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, erwiderte ich.
Ich wanderte durch das Zimmer und sah mich um.
Anscheinend hatte jemand aufgeräumt, ansonsten aber alles so gelassen, wie es gewesen war. Die Bücher, die herumlagen, waren sauber gestapelt. Auf dem kleinen Tisch neben dem Fenster entdeckte ich ein liniertes Heft, auf dem ein paar Stifte, ein Lineal und ein Radiergummi lagen. Ich griff nach dem Heft und schlug es auf. Auf der ersten Seite waren ein paar Ideen für eine Unterrichtsstunde aufgelistet. Die einzelnen Stichpunkte waren sauber untereinander geschrieben und nummeriert.
Zoës kleine runde Buchstaben wirkten sehr ordentlich. An der Wand hing eine gerahmte Zeitungsseite mit einem Bild von Zoë. Sie hielt eine riesige Wassermelone und war von dutzenden kleiner Kinder umringt.
Wir gingen in die Küche. Auf dem Abtropfbrett standen mehrere Tassen. In einer Vase auf dem Tisch ließen ein paar verwelkte Blumen die Köpfe hängen. Neben dem Wasserkocher stand eine einzelne Flasche Weißwein. Der Kühlschrank war offen, leer und blitzblank geputzt.
»Die Wohnung gehört jetzt ihrer Tante«, erklärte Louise.
Ich griff nach einem Taschenrechner, der auf der Arbeitsfläche lag, drückte gedankenverloren ein paar Knöpfe und starrte auf die Summe, die auf dem Display erschien. »Hatte sie Angst?«
»Ja. Zum Schluss hat sie bei mir übernachtet.
Irgendwann war sie vor Angst völlig außer sich, aber an jenem letzten Tag erschien sie mir ruhiger. Sie hatte wieder Hoffnung geschöpft, fühlte sich ein wenig sicherer.
Ich habe draußen auf sie gewartet, müssen Sie wissen.«
Louise machte eine Kopfbewegung in Richtung Straße.
»Mein Wagen stand im absoluten Halteverbot. Ich wartete und wartete. Als es mir zu lange dauerte, habe ich wütend auf die Hupe gedrückt und noch mal ein paar Minuten gewartet. Dann bin ich ausgestiegen und habe geklingelt.
Als sie noch immer nicht auftauchte, habe ich die Polizei gerufen.«
»Sie haben ihre Leiche also nicht gesehen?«
Louise starrte mich blinzelnd an.
»Nein«, antwortete sie schließlich. »Sie haben mich nicht gelassen. Später sind sie dann mit mir in die Wohnung gefahren. Sie wollten wissen, ob irgendwas anders war als vorher. Ich konnte es einfach nicht glauben.
Sie wollte doch bloß schnell ihr Zeug holen. Als sie ausstieg, sagte sie, sie wäre in einer Minute wieder zurück.«
»Kommen die Damen da drinnen zurecht?«, rief Guy vom Treppenhaus herein.
»Wir sind gleich fertig!«, antwortete ich.
Zusammen gingen wir in das Schlafzimmer. Das Bett war abgezogen, und auf einem Sessel türmte sich ein Stapel Bettlaken und Kissen. Ich öffnete den Schrank. Ihre Kleider waren noch da. Sie hatte nicht viele besessen. Auf dem Schrankboden standen drei Paar Schuhe. Ich streckte die Hand aus und strich über den Stoff eines hellblauen Kleides. Daneben hing eine Baumwolljacke mit aufgetrenntem Saum.
»Haben Sie auch Fred gekannt?«, fragte ich Louise.
»Klar. Ein recht charmanter Typ. Obwohl Zoë ohne ihn besser dran war. Er hat ihr nicht direkt geholfen. Sie war richtig erleichtert, als sie ihm endlich gesagt hatte, dass es vorbei sei.«
»Das habe ich nicht gewusst.«
Für einen Moment schloss ich die Augen und rief mir das Bild ihrer Leiche ins Gedächtnis, die so friedlich auf dem Boden lag, als wäre sie dort eingeschlafen. Vielleicht hatte sie nicht gelitten. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, dass Louise mich besorgt anstarrte.
»Warum sind Sie hergekommen?«, fragte sie. »Was erwarten Sie sich davon?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich. »Ich hatte gehofft, auf diese Weise irgendwas zu erfahren, aber ich habe keine Ahnung, was. Vielleicht halte ich nur Ausschau nach Zoë.«
Sie lächelte. »Suchen Sie nach Hinweisen?«, fragte sie.
»Blöd, nicht wahr? Fehlt denn was?«
Louise blickte sich um. »Das hat mich die Polizei auch schon gefragt. Ich konnte ihnen nicht wirklich weiterhelfen. Das Einzige, was mir einfiel, war, dass der Wandbehang nicht mehr da war, den Fred ihr geschenkt hatte.«
»Ja. Das stand auch im Bericht der Spurensicherung.«
»Ich finde es seltsam, dass der Mörder ausgerechnet dieses Ding hat mitgehen lassen. Es war bestimmt nicht viel wert.«
»Die Polizei vermutet, dass er ihn dazu verwendet hat, andere Sachen wegzutragen.«
Louise sah mich verblüfft an. »Warum hat er nicht einfach eine Plastiktüte aus der Küche benutzt?«
»Keine Ahnung. Ich nehme an, ein Mensch, der gerade
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