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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Gedichte blieb mir völlig verschlossen.
    Ich stellte das Buch zurück ins Regal und schaltete den Fernseher an.
    Noch vor kurzem hatte ich darüber nachgedacht, wie ich den Rest meines Lebens auf konstruktive Weise nutzen könnte. Nun sah ich mir eine Talkshow an, in der Frauen zu Wort kamen, die eine Affäre mit dem Freund ihrer Schwester gehabt hatten. Danach kam eine Kochsendung, die zugleich eine Gameshow war, dann die Wiederholung einer Sitcom aus den Siebzigerjahren und schließlich eine ebenfalls ziemlich angestaubt wirkende Dokumentation über ein Korallenriff. Außerdem sah ich eine Menge Wetterberichte.
    Falls ich tatsächlich mit achtundzwanzig Jahren sterben sollte und jemand einen Nachruf auf mich schreiben würde – was bestimmt niemand tat –, was würde dem Betreffenden dann zu meinem Leben einfallen? »In ihren späteren Jahren fand sie eine Nische als mäßig erfolgreiche Kinderunterhalterin.« Zoë, die selbst fast noch ein Kind gewesen war, hatte bereits als Lehrerin gearbeitet. Und Jenny hatte drei Kindern das Leben geschenkt. Sie hatte Josh großgezogen, ein Kind, das fast schon ein Mann war.
    Irgendwann schlief ich auf meinem Sofa ein, und als ich wieder aufwachte, sah ich mir den Schluss eines Western an, dann eine Sendung über Kegelbahnen, anschließend eine Quizsendung. Gerade als ich umschalten wollte, klingelte es an der Tür. Ich machte auf. Vor mir standen Josh und Morris. Der Duft von indischem Essen wehte herein. Morris war gerade in eine Diskussion mit einer Polizistin verwickelt.
    »Ja, sie kennt uns. Ihre Kollegin, die letztes Mal da war, hat bereits unsere Namen und Adressen notiert. Wir können sie Ihnen aber gern noch mal geben, wenn Sie wollen.« Er drehte sich um und sah mich in der Tür stehen. »Wir haben uns was zum Essen geholt, und weil wir gerade in der Nähe waren, dachten wir, wir schauen mal vorbei.«
    Ich starrte die beiden überrascht an. Es hatte nichts mit ihnen zu tun, nur damit, dass ich den ganzen Tag vor dem Fernseher verbracht hatte. Ich fühlte mich, als hätte ich irgendwelche Beruhigungspillen genommen.
    »Kein Problem«, fuhr Morris fort. »Wenn wir ungelegen kommen, können wir auch irgendwo auf einer Parkbank essen. Oder in einem Hauseingang. Nein, noch besser: unter einer Straßenlampe. Im strömenden Regen.«
    Gegen meinen Willen musste ich lächeln. Es war noch immer ein schöner, sonniger Tag.
    »Blödsinn! Rein mit euch!« Die Beamtin wirkte nicht gerade begeistert. »Ist schon gut. Ich kenne die beiden.«
    Sie traten ein und luden drei große Tüten, aus denen es verführerisch duftete, auf dem Tisch ab.
    »Wahrscheinlich sind Sie heute irgendwo zum Essen eingeladen, oder?«
    »Nein, ehrlich gesagt nicht«, gestand ich.
    Sie zogen ihre Jacken aus und warfen sie in eine Ecke.
    Sie schienen sich bei mir recht wohl zu fühlen.
    »Bei Josh zu Hause steigt heute eine albtraumhafte Soiree. Da habe ich ihn gerettet, und wir sind gemeinsam auf Frauenfang gegangen.«
    Josh lächelte so verlegen, dass ich ihn am liebsten in den Arm genommen hätte. Sie fingen an, die Schälchen aus Alufolie zu verteilen.
    »Wir wussten nicht so genau, wie viel Schärfe Sie vertragen«, erklärte Morris, während er die Pappdeckel abzog, »deswegen haben wir uns für die ganze Bandbreite entschieden, von extrem mild bis hin zu mörderisch scharf, mit sämtlichen Abstufungen dazwischen, außerdem mehrere Brotsorten, phal und verschiedene Gemüse. Die Erwachsenen dürfen dazu starkes Bier trinken, während Josh sich mit leichtem Lager begnügen muss.«
    Ich hob eine Augenbraue. »Darfst du überhaupt schon Alkohol trinken, Josh?«
    »Klar«, antwortete er trotzig.
    Na ja, was soll’s, dachte ich. Ich hatte auch so schon genug Probleme. Ich holte Teller, Gläser und Besteck aus dem Schrank.
    »Was hättet ihr gemacht, wenn ich nicht da gewesen wäre?«, fragte ich.
    »Morris war sich ganz sicher, dass Sie zu Hause sein würden«, antwortete Josh.
    »Ach ja?« Ich drehte mich mit gespielt ironischer Miene zu Morris um.
    Er lächelte. »Ich wollte mich damit nicht über Sie lustig machen«, sagte er. »Ich dachte bloß, dass Sie wahrscheinlich ein bisschen angeschlagen sind.«
    »Das bin ich in der Tat«, gab ich zu. »Ich habe im Moment keine besonders gute Phase.«
    »Das merkt man«, meinte er. »Also langen Sie kräftig zu!«
    Was wir auch taten. Das Essen war genau das, was ich jetzt brauchte: eine gute, chaotische, stillose Mahlzeit, bei der man alles Mögliche

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