Der Sommermörder
mich für meinen Verdacht zu entschuldigen«, sagte ich. »Aber vielen Dank, sie sind wunderschön!« Aus einem spontanen Impuls heraus stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange.
Bernice schloss wie eine Gefängniswärterin die Tür hinter uns.
»Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass wir einfach so hereinschneien«, meinte Morris, während er zusah, wie ich einen Krug mit Wasser füllte und die Blumen hineinstellte.
»Hack meinte, wir drei sollten uns mal kurzschließen«, fügte Josh hinzu.
Unruhig wanderte er im Wohnzimmer herum, hob hier und dort etwas auf, ließ seine Hände an meinen Regalfächern entlanggleiten.
»Setz dich, Josh, du machst mich ganz nervös. Ich freue mich, euch beide zu sehen. Auch wenn es irgendwie ein komisches Gefühl ist.«
»Wieso?«
»Na ja, ich finde, wir geben schon ein seltsames Grüppchen ab!« Ich brach in ein freudloses Kichern aus, und Josh stimmte aus Nervosität oder Höflichkeit mit ein.
Morris starrte uns beide stirnrunzelnd an.
»Wie können Sie da noch lachen?«, fragte er, nachdem mein hysterischer Lachanfall abgeklungen war. »Wo es doch da draußen jemanden gibt, der Sie töten möchte!«
»Sie hätten mich heute Morgen sehen sollen. Oder gestern, als ich erfuhr, dass Sie es doch nicht waren. Ich hoffe, Sie verstehen mich nicht falsch, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass ich mir wirklich ganz fest gewünscht habe, Sie wären es.«
»Hoffnung ist etwas Grausames«, sagte Morris mit einem ernsten Nicken.
Ich warf Josh einen besorgten Blick zu. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja.«
Er sah aber nicht aus, als wäre alles in Ordnung mit ihm.
Seine Augen waren blutunterlaufen, die Haut so blass, dass sie fast grün wirkte. Ich stand auf, schob ihn zum Sofa hinüber und drückte ihn in die Kissen. »Wann hast du das letzte Mal was gegessen?«
»Ich habe keinen Hunger.«
»Ich mache dir jetzt trotzdem was zu essen. Vielleicht ein paar Nudeln, wenn ich welche finde. Möchten Sie auch was?«, fragte ich Morris.
»Ich helfe Ihnen«, antwortete er. »Du bleibst einfach hier sitzen und ruhst dich aus«, sagte er zu Josh und gab ihm einen leichten Klaps auf die Schulter. »Sammle deine Kräfte.«
Josh lehnte sich zurück und schloss die Augen. Ein schwaches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Morris schnitt die Tomaten auf. Ich fand eine halbe Tüte Spiralnudeln, kippte sie in einen Topf und schaltete den Wasserkocher an.
»Haben Sie sehr große Angst?«, fragte er mich, wie Josh es beim letzten Mal getan hatte.
»Sie kommt und geht«, antwortete ich. »Ich versuche, stark zu bleiben.«
»Das ist gut«, meinte er, während er sich weiter den Tomaten widmete. »Helfen sie Ihnen?«
»Wer?«
»Die von der Polizei.«
»Sie versuchen es«, antwortete ich knapp. Ich wollte jetzt nicht über dieses Thema sprechen.
Im Kühlschrank hatte ich eine Dose entsteinte schwarze Oliven gefunden. Als die Nudeln fertig waren, gab ich eine Hand voll darüber und beträufelte das Ganze mit ein wenig Öl. Allerdings hätte ich noch ein bisschen Parmesan und schwarzen Pfeffer gebraucht, um das Bild abzurunden. Egal. Morris war immer noch damit beschäftigt, die Tomaten – sehr langsam und methodisch –
in kleine Würfel zu schneiden.
»Wie stellen Sie sich ihn vor?«, fragte er.
»Gar nicht.« Ich war selbst überrascht über meinen entschiedenen Ton. »Ich denke bloß an die Frauen. Zoë und Jenny.«
Er gab die Tomaten in eine Schüssel.
»Wenn ich irgendwas für Sie tun kann«, meinte er,
»dann sagen Sie es einfach.«
»Danke.« Ich achtete bewusst darauf, nicht allzu viel Begeisterung in meine Stimme zu legen. Ich hatte schon genug Freunde.
Während wir aßen, erzählte ich Josh und Morris von meinem Vorhaben, mir Zoës Wohnung anzusehen. Beide waren ziemlich verblüfft über meine Idee. »Warum kommt ihr nicht mit?«, fragte ich spontan. Kaum hatte ich diesen Vorschlag ausgesprochen, bereute ich ihn schon wieder halb.
Josh schüttelte den Kopf. »Gloria fährt heute mit uns zu ihrer Mutter, damit wir sie kennen lernen«, erklärte er bitter.
Nachdem er seine Nudeln gegessen hatte, schien es ihm viel besser zu gehen, auch wenn er sämtliche Oliven am Rand seines Tellers zu einem ordentlichen Haufen gestapelt hatte.
»Gern«, sagte Morris mit einem Lächeln. »Ich komme mit.«
»Ich treffe mich dort mit einer Freundin von Zoë«, erklärte ich. »Einer Frau namens Louise.«
»Wie seltsam«, sagte Morris.
»Was ist daran
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