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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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durcheinander essen konnte.

    Zwischendrin nahm ich mir immer wieder ein Stück Brot und tauchte es in die verschiedenen Saucen. Wir forderten einander heraus, möglichst viel von dem scharfen phal in den Mund zu nehmen, achteten aber darauf, dass kaltes Bier zum Löschen bereit stand. Ich hatte den Eindruck, dass Morris schummelte und nur ein winziges Stück hineinschob, obwohl er uns gegenüber recht tapfer tat.
    Josh dagegen holte ein paar Mal tief Luft, schob sich tatsächlich eine ansehnliche Menge Fleisch in den Mund, kaute ein wenig darauf herum und schluckte es hinunter.
    Fasziniert beobachteten wir, wie kurz darauf kleine Schweißtröpfchen auf seine Stirn traten.
    »Bestimmt wird es dich gleich zerreissen«, meinte ich.
    »Morris, wir müssen uns in Sicherheit bringen.«
    »Nein, ich habe alles im Griff«, stieß Josh mit gepresster Stimme hervor, woraufhin wir alle drei lachten.
    Es war das erste Mal, dass ich Josh mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck gesehen hatte. Sonst wirkte er immer so verkniffen und gehemmt. Ich selbst hatte auch schon lange nicht mehr so unbekümmert gelacht.
    »Jetzt Sie«, sagte Josh.
    Mit einem übertriebenen, eleganten Schwung nahm ich einen großen Löffel voll und schob ihn mir in den Mund.
    Sie starrten mich an, als wäre ich ein Feuerwerkskörper, der erst mit einiger Verspätung explodierte.
    »Wie haben Sie das gemacht?«, fragte Morris schließlich.
    »Ich liebe scharfes Essen«, erklärte ich. »Und ich kann damit umgehen wie eine Lady.«
    »Wir sind beeindruckt«, meinte Josh voller Bewunderung.
    Hastig griff ich nach meinem Glas und nahm einen großen Schluck von dem kalten Bier.
    »Sind Sie okay?«, fragte Josh.
    »Klar. Ich bin bloß sehr durstig«, gab ich lässig zurück.
    Dann fügte ich spontan hinzu: »Sagt mal, Jungs, wie wär’s, wenn wir uns alle duzen?«
    Natürlich waren sie einverstanden.
    Überraschend schnell hatten wir das meiste verputzt. Es waren nur noch ein paar kalt gewordene Reste übrig.
    Während ich den Tisch abräumte, was im Wesentlichen bedeutete, dass ich die Aluschälchen ineinanderstapelte, wanderten die Jungs zu meinem berühmt-berüchtigten Computer hinüber. Bald hockten sie beide vor dem Ding, und hin und wieder hörte ich sie ungläubig nach Luft schnappen oder losprusten. Schließlich gesellte ich mich mit einem frischen Glas Bier zu ihnen. Ich fühlte mich angenehm benebelt. »Ich weiß, dass ihr das komisch findet«, sagte ich.
    »Nein, es ist großartig«, widersprach Josh, während er fachmännisch auf der Maus herumklickte. »Du hast all diese vorsintflutlichen Programme, lauter 1.1.- und 1.2-Versionen. Es ist wie ein Software-Dinosaurierpark.
    Augenblick mal, was ist denn das?«
    Wie sich herausstellte, steckte irgendwo in meinem Computer ein Solitaire-Kartenspiel, von dem ich nicht mal was geahnt hatte. »Kennst du die Regeln?«, riefen sie.
    Nein, ich kannte sie nicht. Mit viel Geschrei und Geraufe um die Maus begannen sie zu spielen.
    »Es ist, als würde ich den Abend mit zwei Dreizehnjährigen verbringen«, stellte ich fest.
    »Na und?«, gab Josh zurück.
    Er wurde immer lockerer. Zumindest mir gegenüber verhielt er sich inzwischen viel entspannter. Von der Zurückhaltung und dem Respekt, mit dem er mich anfangs behandelt hatte, war zum Glück nichts mehr zu spüren. Sie verlangten nach mehr Bier, und ich brachte ihnen zwei kalte Dosen aus dem Kühlschrank.
    »Allmählich fühle ich mich in diesem Szenario fast wie Prinzessin Leia«, sagte ich.
    Josh wandte den Blick vom Bildschirm ab und musterte mich nachdenklich. »Ich finde, du siehst eher aus wie Chewbacca.«
    »Wer?«
    »Vergiss es!«
    Vielleicht sollte ich mir meinen Wuschelkopf doch mal ein bisschen stutzen lassen. Ich ging in die Küche hinüber und kochte eine Kanne Kaffee. Nachdem ich mir selbst eine Tasse eingeschenkt hatte – sehr schwarz und sehr heiß –, rief ich zu den Jungs hinüber: »Es gibt Kaffee!«
    Josh war von dem Spiel so fasziniert, dass er meine Existenz vorübergehend völlig vergessen hatte, aber Morris wollte eine Tasse.
    »Hast du Milch?«, fragte er.
    »Augenblick, ich bring dir gleich welche.«
    »Nein, bleib hier, ich hole sie mir selbst.«
    Während Morris in die Küche verschwand, betrachtete ich Josh, der mit höchster Konzentration auf den Bildschirm starrte. Seine Arme wirkten dünn und bleich.
    Er war trotz seiner Größe noch immer ein kleiner Junge.
    Morris kam zurück.
    »Eine nette Wohnung ist das«, bemerkte er. »Sehr

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