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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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würde.
    Plötzlich war alles ganz einfach, zumindest im Moment.
    Die Angst war ein wenig in den Hintergrund getreten, auch wenn sie noch immer irgendwo lauerte. Cameron war sofort an meiner Seite und sah mich fragend an, fast ein bisschen hoffnungsvoll.
    »Ich gehe bloß ein Stück die Straße rauf, um was fürs Abendessen einzukaufen«, erklärte ich.
    Eine Weile marschierten wir schweigend nebeneinander her.
    »Ich möchte mich bei dir entschuldigen«, sagte er schließlich.
    »Für alles. Ich möchte es doch nur richtig machen. Für dich und für mich. Uns.«
    »Wovon redest du überhaupt?«, fragte ich.
    Er gab mir keine Antwort. Wir überquerten die Straße und gingen den Gehsteig entlang, bis wir vor Marks and Spencer standen. Einen Streit konnte ich jetzt nicht gebrauchen. Ich durfte auf keinen Fall sein Misstrauen erregen. Ich legte meine Hand auf seinen Unterarm. Ein bisschen Hautkontakt, weiter nichts.
    »Tut mir Leid«, sagte ich. »Ich bin momentan nicht in der Lage, rational an die Dinge heranzugehen. Der Zeitpunkt ist ungünstig.«
    »Das verstehe ich.«
    Seufzend wandte ich mich ab, um in das Geschäft hineinzugehen. »Ich brauche bloß eine Minute.«

    »Ich warte hier auf dich.«
    »Soll ich dir was mitbringen?«
    »Nicht nötig.«
    Die Camdener Filiale von Marks and Spencer hat einen kleinen Hinterausgang. Wenige Minuten später saß ich schon in der U-Bahn. Als ich auf der Rolltreppe zum Bahnsteig hinuntergefahren war, hatte ich einen Blick über die Schulter geworfen. Cameron war nirgendwo zu sehen.
    Während der kurzen Fahrt versuchte ich mir einen Reim auf das zu machen, was Morris gesagt hatte. Es kam mir vor, als wäre ich wochenlang in einem dicken Nebel gefangen gewesen, der sich nun zwar nicht völlig hob, aber doch etwas lichtete, sodass langsam eine Art Landschaft sichtbar wurde. Wenn es ein Polizist gewesen war, unter Umständen sogar Cameron, dann wurde das, was vorher unmöglich erschienen war, plötzlich ganz plausibel. Die Polizei hatte unbeschränkten Zutritt zu Zoës Wohnung und Jennys Haus. Plötzlich wurde mir wieder bang ums Herz. In meiner Wohnung gingen sie ebenfalls ein und aus. Aber warum sollte jemand von der Polizei, warum sollte Cameron so etwas tun?
    Ich brauchte nur an Camerons Blick zu denken, dann hatte ich die Antwort. Mir fiel mein erstes Treffen mit den beiden Polizisten wieder ein, als Cameron in der Ecke gesessen und mich angestarrt hatte. Ich dachte an Cameron in meinem Bett. Noch nie war ich auf eine solche Weise angesehen und berührt worden wie von ihm, als wäre ich ein unendlich wertvoller und begehrenswerter Gegenstand. Anfangs hatte ich das unheimlich aufregend gefunden, später dann eher abstoßend. Nun aber erschien mir alles erschreckend logisch. Welch ein Kick, neben der Frau zu liegen, die man terrorisierte, sie zu vögeln, all ihre Geheimnisse herauszufinden! Trotzdem, welche Beweise gab es dafür? Ob Morris etwas herausgefunden hatte, das mir weiterhelfen würde?
    Morris wohnte nur ein paar Minuten von der U-BahnStation entfernt. An der Hauptstraße drängten sich die Menschen, aber seine Wohnung lag in einer kleinen Seitenstraße, die schwierig zu finden war. Das erste Mal übersah ich sie, aber nachdem ich jemanden gefragt hatte, wurde ich fündig. Es ging ein Stück geradeaus und dann um eine Ecke. An diesem Samstagabend war die kleine, gepflasterte Seitenstraße menschenleer. An ihrem Ende fand ich eine Tür mit einem kleinen Schild neben dem Klingelknopf: Burnside. Ich läutete. Nichts rührte sich.
    Konnte es sein, dass er weggegangen war? Dann hörte ich ihn aufschließen, was eine Weile dauerte. Anscheinend hatte er die Tür mehrfach verriegelt. Als er schließlich vor mir stand, merkte ich sofort, dass er vor Tatkraft nur so sprühte. Er trug eine weite Hose mit Unmengen von Taschen und dazu ein Kurzarmhemd. Mir fiel auf, dass er barfuß war. Das Faszinierendste an ihm aber waren seine glänzenden, lebhaften Augen. Die Energie, die er ausstrahlte, hatte etwas von einem Magnetfeld. Er war ein attraktiver Mann – noch dazu einer, der sich einbildete, verliebt zu sein. Diese Erkenntnis gab mir zu denken.
    Hoffentlich hatte er nicht aus einer Mücke einen Elefanten gemacht, bloß um eine Gelegenheit zum Flirten mit mir zu finden.
    »Nadia«, sagte er und lächelte mich an.
    Er beugte sich ein wenig vor und schaute über meine Schulter auf die Straße hinaus. Ich drehte mich um und ließ den Blick ebenfalls die Straße entlangwandern.
    »Wie

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