Der Sommermörder
hast du es geschafft, ihn abzuhängen?«, fragte er.
»Du weißt doch, ich kann zaubern«, antwortete ich.
»Komm rein! Ich habe allerdings nicht aufgeräumt.«
Für mein Gefühl sah es ziemlich aufgeräumt aus. Wir waren durch die Wohnungstür direkt in ein kleines gemütliches Wohnzimmer getreten. Am anderen Ende des Raums führte eine Tür auf einen kurzen Gang hinaus.
»War das mal ein Lagerhaus?«
»Eine Art von Werkstatt, glaube ich. Es ist nicht meine Wohnung, ich passe bloß darauf auf. Sie gehört einem Freund, der sich zurzeit im Ausland aufhält.«
Das Einzige, was nicht ins Bild passte, war das Bügelbrett mit Bügeleisen, das neben dem Tisch stand.
»Du hast gebügelt«, stellte ich fest. »Ich bin sehr beeindruckt.«
»Nur dieses Hemd.«
»Ich habe es für neu gehalten.«
»Das ist der Trick daran«, erklärte er. »Wenn man seine Sachen bügelt, sehen sie aus wie neu.«
Ich lächelte.
»Der wahre Trick besteht darin, sich das Bügeln zu sparen, indem man grundsätzlich nur neue Sachen trägt«, entgegnete ich.
Neugierig drehte ich eine Runde durch den Raum. Es war eine Leidenschaft von mir, mir die Wohnungen anderer Leute anzusehen. Mit dem Instinkt einer Meisterschnüfflerin näherte ich mich einer großen Korkpinnwand, an der etliche Takeaway-Speisekarten, Visitenkarten von Klempnern und Elektrikern und ein paar kleine Schnappschüsse hingen. Natürlich interessierte ich mich hauptsächlich für Letztere. Morris auf einer Party, Morris auf einem Fahrrad, Morris an einem Strand, Morris mit einem Mädchen.
»Sie sieht nett aus«, bemerkte ich.
»Cath«, sagte er.
»Ist sie deine Freundin?«
»Na ja, wir hatten eine Weile was miteinander.«
Innerlich musste ich lächeln. Sie war definitiv seine Freundin. Wenn ein Mann von einem Mädchen sagte, dass er mal was mit ihr hatte, dann war das ungefähr so, als ob ein Ehemann Pflaster über seinen Ehering klebte. Solche Männer wollten die übrige Damenwelt im Unklaren darüber lassen, inwieweit sie noch zur Verfügung standen oder nicht.
»Wo sind denn die anderen hingekommen?«
»Was?«
»Die anderen Fotos. Hier sind viel mehr Reißnägel als Fotos.«
Ich deutete auf die vielen Lücken.
»Oh! Ein paar habe ich abgenommen, weil ich sie nicht mehr sehen konnte.« Er lachte. »Du hättest Detektivin werden sollen.«
»A propos, ich hoffe, du hast was wirklich Interessantes auf Lager. Detective Inspector Stadler wird nämlich sehr wütend auf mich sein. Wahrscheinlich habe ich Glück, wenn ich mit einer Verwarnung davonkomme, weil ich den Beamten die Zeit gestohlen habe.«
Morris forderte mich mit einer Handbewegung auf, am Tisch Platz zu nehmen, und ließ sich mir gegenüber nieder. »Ich habe noch mal drüber nachgedacht, wie es war, als ich von der Polizei befragt wurde, von Stadler und
… wie hieß noch mal der andere?«
»Links?«
»Ja, stimmt. Jedenfalls bin ich zu dem Schluss gekommen, dass dieser Stadler wirklich etwas Eigenartiges an sich hat. Die Art, wie er über die beiden anderen Frauen sprach, war richtig seltsam, und deswegen wollte ich das ganze Gespräch noch mal mit dir durchgehen. Außerdem war mir einfach nicht wohl bei dem Gedanken, dass du mit diesem Typen allein bist. Ich wollte dich irgendwie von ihm loseisen.«
»Hast du irgendwelche konkreten Beweise?«
»Wie meinst du das?«
»Ich dachte, du hättest vielleicht etwas gefunden, das wir wirklich gegen ihn verwenden könnten.«
»Tut mir Leid«, sagte er. »Ich wünschte, es wäre so.«
Ich versuchte nachzudenken. Der Nebel, der sich zumindest ansatzweise gelichtet hatte, wurde wieder dichter. Plötzlich überlief es mich kalt.
»Sie stimmt sowieso nicht«, erklärte ich deprimiert.
Morris starrte mich verständnislos an. »Was stimmt nicht?«
»Die Polizeitheorie. Vor lauter Aufregung wegen Zoës Wassermelonen-Geschichte und der Tatsache, dass sie schon mit der Polizei in Verbindung stand, bevor die Briefe eintrafen, habe ich ganz übersehen, dass das Problem Jennifer damit nicht zu erklären ist.«
»Inwiefern?«
»Jennifers Medaillon wurde bereits vor Zoës Tod in deren Wohnung geschleust. Zu dem Zeitpunkt hatte Jennifer noch keine Briefe bekommen und daher auch die Polizei noch nicht verständigt.«
»Vielleicht hat die Polizei die Geschichte mit dem Medaillon fingiert?«
Ich überlegte einen Moment. »Ja, vielleicht«, räumte ich skeptisch ein, »Trotzdem ist das noch immer keine Erklärung für die Verbindung zu Jenny. Wieso ausgerechnet
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