Der Sommermörder
stimmt?«
»Ja. Es war offen.«
»Können Sie es uns zeigen?«
Ich führte sie auf den Gang hinaus. Sie folgten mir ziemlich zögerlich, fast als würden sie es als Zumutung empfinden, wegen einer derartigen Lappalie so viel Energie aufwenden zu müssen.
»Es geht auf den Garten des Pubs hinaus«, murmelte der andere Beamte, während er durch das Fenster nach unten sah.
Der mit der Römernase nickte. »Vielleicht hat er das Fenster vom Pub aus gesehen.« Sie kehrten ins Wohnzimmer zurück.
»Haben Sie eine Idee, wer Ihnen das geschickt haben könnte? Vielleicht ein Exfreund oder ein Kollege?«
Ich holte tief Luft und erzählte ihnen von der Melone und der Postlawine, die sie ausgelöst hatte. Sie mussten beide lachen.
»Sie waren das?«, fragte der mit der Römernase in amüsiertem Tonfall. Er wandte sich an seinen Kollegen.
»Danny war damals als Erster am Tatort.« Wieder an mich gewandt, meinte er: »Ein netter Fall. Wir haben Ihr Foto im Revier hängen. Für uns sind Sie eine richtige Heldin.«
Wieder musste er lachen. »Mit einer Wassermelone, was?
Das ist auf jeden Fall besser als ein Schlagstock.« In dem Moment gab sein Funkgerät ein lautes Knistern von sich.
Er drückte auf einen Knopf, und eine Stimme sagte etwas, das ich nicht verstand. »Ja, in Ordnung. Wir machen uns sofort auf den Weg. Bis gleich.« Er richtete den Blick wieder auf mich. »Damit haben wir ja des Rätsels Lösung.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wenn man mit Foto in die Zeitung kommt, dann passiert so was schon mal.«
»Aber er ist bei mir eingebrochen und hat mich bedroht!«
»Sie stammen nicht aus London, oder? Wie war noch mal Ihr Name?«
»Haratounian. Zoë Haratounian.«
»Ein lustiger alter Name. Italienisch, oder?«
»Nein.«
»Hier in der Stadt laufen einfach eine Menge seltsamer Typen herum.«
»Aber sind Sie denn nicht der Meinung, dass er damit eine Straftat begangen hat?«
Der Beamte mit der Römernase zuckte mit den Achseln.
»Ist etwas gestohlen worden?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht. Nein, ich glaube nicht.«
»Gibt es irgendwelche Spuren, die beweisen, dass sich jemand unter Anwendung von Gewalt Zugang zur Wohnung verschafft hat?«
»Zumindest kann ich keine entdecken.«
Er sah zu seinem Kollegen hinüber und machte eine kleine Kopfbewegung in Richtung Tür, was soviel hieß wie: Lass uns so schnell wie möglich hier abhauen.
»Falls etwas Ernstes vorfallen sollte« – dabei legte er die Betonung dezent auf »Ernstes«, was ich fast ein bisschen unverschämt fand –, »dann rufen Sie uns an.«
Sie wandten sich zum Gehen.
»Wollen Sie den Brief nicht mitnehmen?«
»Behalten Sie ihn, meine Liebe. Legen Sie ihn in eine Schublade. Irgendwohin, wo er sicher ist.«
»Wollen Sie meine Aussage denn nicht aufnehmen?
Müssen Sie nicht ein Formular ausfüllen?«
»Falls der Kerl Sie weiterhin belästigen sollte, werden wir das tun, meine Liebe. In Ordnung? Und nun sehen Sie zu, dass Sie ein wenig Schlaf bekommen. Wir müssen zu einem neuen Einsatz.«
Und weg waren sie. Durchs Fenster beobachtete ich, wie sich ihr Wagen in die anderen Lichter einreihte und im Chaos der Stadt verschwand.
6. KAPITEL
raußen auf der Holloway Road waren laute Musik und Gelächter zu hören, als wäre dort ein D
Straßenfest im Gange. Jemand klatschte wie wild. Ein Auto hupte. Die schwüle Nachtluft verdichtete all die Gerüche der Nacht: Es roch nach Gewürzen, gebratenen Zwiebeln, Abgasen, Patschuli, Knoblauch und Zimt. Sogar ein Hauch von Rosenduft mischte sich in das Potpourri.
Hin und wieder wehte durch das weit offen stehende Fenster eine leichte Brise und bauschte die halb zugezogenen Vorhänge.
Trotz der vorgerückten Stunde waren weder Sterne noch der Mond zu sehen. Die Stadt wurde nur vom Schein der Straßenlampen erhellt, die den Raum in ein schwaches, schmutzig oranges Licht tauchten. Einen Moment lang sehnte ich mich danach, mitten in einem Wald oder einer Wüste zu sein oder draußen auf dem offenen Meer.
Ich hatte die Augen geöffnet und sah Fred an, der meinen Blick mit einem selbstbewussten Lächeln erwiderte, während der Schweiß von seiner Stirn auf mein Gesicht und meinen Hals tropfte und unsere Hände über den nassen Körper des anderen glitten. Er war mir immer noch fremd: seine hohe Stirn, sein voller Mund, sein langer, schlanker, glatter Körper. Sogar nach einem durchtanzten Abend und anschließendem Sex verströmte er noch einen sauberen, leicht hefigen Geruch. Seine Haut duftete
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