Der Sommermörder
mit leiser Stimme und nickte diskret zu den jungen Frauen am Tisch hinüber.
Das Thema schien Morris nicht besonders angenehm zu sein.
»Na ja, Laura und ich sind sozusagen, auf gewisse Weise
…«
»Auf welche Weise?«, fragte Laura quer über den Tisch.
Sie war eine große Frau mit glattem, braunem Haar, das sie am Hinterkopf in einem Knoten trug.
»Ich habe Zoë gerade erzählt, dass du Ohren hast wie eine Fledermaus.«
Ich rechnete damit, dass Laura wütend reagieren würde.
Ich hätte so reagiert, aber mir wurde langsam klar, dass die drei Frauen nicht zum harten Kern der Gruppe gehörten.
Sie unterhielten sich hauptsächlich untereinander und wurden nur dann ins allgemeine Gespräch mit einbezogen, wenn die Männer es für nötig hielten, was nicht allzu häufig der Fall zu sein schien. Mit ihren frischen Gesichtern und den vom Fußball noch immer leuchtenden Augen wirkten die Jungs mehr denn je wie kleine Buben. Warum hatten sie mich in ihre Gruppe aufgenommen? Als Publikum? Morris lehnte sich so nah zu mir herüber, dass ich einen Moment lang dachte, er wolle sich an mein Ohr schmiegen. Stattdessen flüsterte er mir etwas zu: »Es ist vorbei.«
»Was ist vorbei?«
»Das mit mir und Laura. Sie weiß es bloß noch nicht.«
Ich sah zu ihr hinüber. Sie saß völlig ahnungslos da und unterhielt sich. »Warum?«, fragte ich.
Er zuckte mit den Achseln. Es wäre mir ohnehin zuwider gewesen, weiter über dieses Thema zu sprechen.
»Wie läuft’s mit der Arbeit?«, fragte ich, weil mir nichts anderes einfiel.
Morris zündete sich eine Zigarette an, ehe er antwortete.
»Wir sind alle am Warten«, sagte er schließlich.
»Wie meinst du das?«
Er nahm einen tiefen Zug an seiner Zigarette und dann einen noch tieferen aus seinem Bierglas. »Sieh uns doch an«, sagte er.
»Graham arbeitet für einen Fotografen und wartet darauf, selbst ein richtiger Fotograf zu werden. Duncan und ich fahren herum und erklären dämlichen Sekretärinnen die Details ihrer Software, die sie eigentlich im Handbuch hätten nachlesen können. Wir warten darauf, dass ein, zwei von unseren Ideen endlich … na ja, Früchte tragen. So, wie die Dinge in diesem Geschäft zurzeit laufen, braucht man bloß eine halbwegs passable Idee, und schon ist man mehr wert als British Airways.«
»Und Fred?«
Morris’ Blick wurde nachdenklich. »Fred buddelt und sägt vor sich hin und versucht währenddessen herauszufinden, wer er ist.«
»Immerhin wird er dabei braun und bekommt muskulöse Arme«, mischte sich Graham ein, der unser Gespräch belauscht hatte.
»Mmmm«, sagte ich.
Wir blieben noch lange sitzen und tranken alle viel zu viel. Auf Lauras Bitte hin, die aber eher wie ein Befehl klang, wechselte Morris irgendwann die Tischseite und setzte sich zu ihr, woraufhin Duncan neben mir Platz nahm. Er sprach erst eine Weile von seiner Arbeit mit Morris – dass sie jeden Tag unterwegs seien und meist getrennt voneinander in verschiedenen Firmen arbeiteten, wo sie irgendwelchen Idioten mit zu viel Geld und zu wenig Zeit erklären müssten, wie ihre Computer funktionierten. Dann erzählte er mir von Fred, den vielen Jahren, die sie sich schon kannten, ihrer langen Freundschaft.
»Nur eins kann ich ihm nicht verzeihen«, erklärte er.
»Was denn?«
»Das mit dir. Das war kein fairer Kampf.«
Ich zwang mich zu einem Lachen. Er starrte mich an.
»Wir finden alle, dass du die Beste bist.«
»Die Beste was?«
»Einfach die Beste.«
»Und wen meinst du mit ›wir‹?«
»Uns Jungs.« Er machte eine ausladende Geste, die den ganzen Tisch mit einschloss. »Aber irgendwann gibt Fred seinen Frauen immer den Laufpass«, erklärte er.
»Mit dem Problem werden wir uns herumschlagen, wenn es so weit ist, ja?«
»Kann ich dich dann haben?«
»Wie bitte?«
»Nein, ich will sie!«, rief Graham von der anderen Seite des Tisches herüber.
»Und was ist mit mir?«, fragte Morris.
»Ich habe sie als Erster gefragt!«, gab Duncan zurück.
Ein Teil von mir erkannte, dass es sich um einen ihrer üblichen Späße handelte. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte ich vielleicht darüber gelacht und ein wenig mit ihnen geflirtet, um ihr Spiel mitzuspielen, aber an diesem Abend war mir nicht danach.
Fred drückte sich an mich, presste seine Hand gegen meine Hose. Louises Hose. Plötzlich wurde mir übel. Ich hatte das Gefühl, als würden sich der Lärm und die schlechte Luft in dem Pub wie eine zähe Masse um meinen Körper legen.
»Zeit zu gehen«,
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