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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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sagte ich.
    Obwohl Fred definitiv zu viel getrunken hatte, um noch fahrtüchtig zu sein, chauffierte er mich, Morris und Laura in seinem Lieferwagen nach Hause.
    »Macht es dir eigentlich nichts aus, wenn sie so mit mir reden?«, fragte ich ihn, nachdem er die beiden anderen abgesetzt hatte.
    »Die sind doch bloß eifersüchtig.«
    Ich erzählte ihm von den Fragen, die man mir auf dem Polizeirevier über mein Privatleben gestellt hatte.
    »Irgendwie haben sie mir das Gefühl gegeben, als wäre das Ganze meine eigene Schuld«, erklärte ich. »Sie haben sich nach meinem Sexleben erkundigt.«
    »Eine lange Geschichte?«, fragte er mit einem Funkeln in den Augen.
    »Eine sehr kurze.«
    »So viele?« Er stieß einen Pfiff aus.
    »Sei nicht albern.«
    »Dann glauben sie also, dass einer von deinen Exlovern dahinter steckt?«
    »Vielleicht.«
    »War da denn einer dabei, der einen Sprung in der Schüssel hatte?«
    »Nein, eigentlich nicht«, antwortete ich zögernd. »Wenn man allerdings mal anfängt, darüber nachzudenken, kommt einem plötzlich jeder ein bisschen seltsam oder unheimlich vor. Kein Mensch ist wirklich normal, oder?«
    »Nicht mal ich?«
    »Du?« Ich betrachtete ihn, wie er mit seinen schlanken Händen den Wagen lenkte. »Nein, nicht mal du.«
    Meine Antwort schien ihm zu gefallen. Ich sah, dass er lächelte.
    Er drückte mich auf meinen Sitz zurück und küsste mich so hart, dass ich Blut auf der Lippe spürte. Dabei presste er eine Hand gegen meine Brust, fragte aber nicht, ob er noch mit hinaufkommen könne. Da ich meine Lektion vom Vorabend gelernt hatte, bat ich ihn auch nicht darum.
    Mit gut gespielter Fröhlichkeit winkte ich ihm nach, aber statt in meine Wohnung hinaufzugehen, eilte ich zur nächsten Telefonzelle. Zum Glück waren noch immer ziemlich viele Leute unterwegs. Ich rief Louise an.
    Vielleicht würde sie mich für eine Nacht bei sich aufnehmen. Aber das Telefon klingelte und klingelte, und niemand ging ran. Ich stand da und drückte den Telefonhörer an mein Gesicht, bis ein verärgerter Mann mit einer prallvollen Aktentasche gegen die Scheibe klopfte. Außer Louise kannte ich in London niemanden gut genug, den ich um einen Platz zum Schlafen bitten konnte. Ich wusste also nicht, wo ich sonst hinsollte. Nachdem ich noch eine Weile hin und her überlegt hatte, nahm ich mich selbst an die Kandare. Ich ging zu meiner Haustür zurück, schloss auf und stieg mit meiner Post, die aus einer Menge Werbung, einer Gasrechnung und einer Karte von meiner Tante bestand, die Treppe hinauf. Wenigstens war diesmal kein unfrankierter Brief dabei. Die Fenster waren alle geschlossen, und die Flasche mit dem Pfefferminzlikör stand noch so auf dem Tisch, wie ich sie zurückgelassen hatte, mit abgeschraubtem Deckel. Es war niemand da.

    9. KAPITEL
    ch glaube, er ist wirklich interessiert.«
    I »Wer? Fred?«
    »Nein. Der Mann, der sich die Wohnung noch einmal ansehen möchte. Gott weiß, warum, aber ich habe das Gefühl, dass sie ihm gefällt. Ich hoffe, mein Gefühl trügt mich nicht. Weißt du, Louise, mittlerweile kann ich diese Wohnung einfach nicht mehr ertragen. Ich hasse sie richtig. Jeden Abend fürchte ich mich, sie zu betreten.
    Wenn ich es bloß schaffen würde, hier rauszukommen!
    Vielleicht hätte dann auch das mit den Briefen ein Ende, und der Typ würde mich in Ruhe lassen.«
    Louise sah sich im Raum um. »Wann kommt er?«
    »Gegen neun. Eine seltsame Zeit für eine Wohnungsbesichtigung, findest du nicht auch?«
    »Immerhin haben wir auf diese Weise noch fast zwei Stunden Zeit.«
    »Bist du sicher, dass du deinen kostbaren Donnerstag Abend dafür opfern willst, Louise?«
    »Ich hatte sowieso nichts vor. Ich wäre zu Hause geblieben, hätte Schokolade in mich hineingestopft und den ganzen Abend ferngesehen. Du hast mich vor mir selbst gerettet. Außerdem schätze ich Herausforderungen.«
    Mit grimmiger Miene ließ ich den Blick durch die Wohnung schweifen. »Eine Herausforderung ist es auf jeden Fall«, sagte ich.
    Louise rollte entschlossen die Ärmel hoch. Einen Moment lang befürchtete ich schon, sie könnte sich in den Kopf gesetzt haben, den Boden zu schrubben.

    »Wo sollen wir anfangen?«
    Ich liebe Louise. Sie ist ein praktisch denkender, sehr großzügiger Mensch. Auch wenn sie hin und wieder die Wilde, Leichtsinnige spielt, weiß ich doch, dass sie mit beiden Beinen fest auf der Erde steht. Sie neigt zu Lachanfällen, und bei traurigen Filmen muss sie immer weinen. Sie isst zu viel

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