Der Sommermörder
aufzuseufzen. »Das ist aber nett von dir«, war alles, was ich herausbrachte.
Das Schlafzimmer befand sich in einigermaßen akzeptablem Zustand, abgesehen davon, dass ich das Bett nicht gemacht hatte und der Korb mit der Schmutzwäsche fast voll war. Wir stellten den Korb in den Schrank und schüttelten mein Kopfkissen auf. Louise schlug eine Ecke der Bettdecke zurück, genau wie meine Mutter es immer getan hatte.
Bei ihrem abschließenden Rundgang durchs Zimmer blieb ihr Blick an den Gegenständen auf meiner Kommode hängen.
»Du lieber Himmel! Was ist denn das für eine seltsame Sammlung?«, fragte sie.
»Lauter Zeug, das mir die Leute geschickt haben.«
»Was, zusätzlich zu den Briefen?«
»Ja. Die von der Polizei wollten noch einen Blick darauf werfen.«
»Nicht zu fassen!« Sie nahm die Sachen genauer in Augenschein. Da war unter anderem eine Trillerpfeife, die ich aus Sicherheitsgründen ständig um den Hals tragen sollte. Ein winziger Seidenslip. Ein runder glatter Stein, der aussah wie ein Vogelei. Ein kleiner brauner Teddybär.
»Was um alles in der Welt sollst du denn mit diesem Ding hier anfangen?«, fragte Louise und hielt einen leicht schmuddeligen rosafarbenen Kamm in die Höhe.
»Es war eine Gebrauchsanweisung dabei. Er ist zur Abwehr potenzieller Angreifer gedacht. Man soll damit die Nase des Betreffenden bearbeiten, besser gesagt das Stück zwischen seinen Nasenlöchern. Angeblich lassen sich auf diese Weise sogar Mörder vertreiben.«
»Falls sie so lange still halten, bis du deinen Kamm herausgezogen hast. Das hier ist aber hübsch!« Sie inspizierte ein filigranes silbernes Medaillon, das an einer feinen Kette hing. »Sieht irgendwie wertvoll aus.«
»Man kann den Anhänger aufmachen, und drinnen steckt eine echte Haarlocke.«
»Wer hat dir das geschickt?«
»Keine Ahnung. Es war in einen Zeitungsartikel über beherzte Heldinnen eingewickelt. Es ist schön, nicht wahr?«
»Ja, aber nicht so heiß wie die hier.« Sie hatte ihre Aufmerksamkeit einem Päckchen pornografischer Spielkarten zugewandt. Die Karte, die sie sich gerade ansah, zeigte eine Frau, die die Hände an ihre prallen Brüste gelegt hatte. »Männer!«, meinte Louise.
Ich schauderte trotz der Hitze.
Nick Shale traf kurz nach neun ein. In der Zwischenzeit hatte ich ein Bad genommen und war in Jeans und ein gelbes Baumwoll-T-Shirt geschlüpft. Ich wollte sauber und ordentlich aussehen, damit ich zu meiner Wohnung passte. Ich steckte mir das Haar hoch und tupfte ein wenig Parfüm hinter die Ohren.
Er trug Laufschuhe, und als er seinen Segeltuchrucksack abnahm, sah ich hinten auf seinem T-Shirt ein dunkles V
aus Schweiß.
»Hier, die habe ich für Sie gekauft.« Er reichte mir eine braune Papiertüte. »Aprikosen von dem Stand ein Stück die Straße runter. Ich konnte nicht widerstehen.«
Ich wurde vor Verlegenheit rot. Es war, als hätte er mir Blumen geschenkt. Ich glaube nicht, dass es üblich ist, dass potenzielle Wohnungskäufer dem Noch-Besitzer Geschenke überreichen. Die Aprikosen waren mit einem feinen Flaum überzogen und so golden, dass sie fast zu leuchten schienen.
»Danke«, sagte ich verlegen.
»Wollen Sie mir denn keine anbieten?«
Wir aßen sie im Stehen, in meiner engen Küche. Er verkündete, das nächste Mal werde er mir Erdbeeren mitbringen. Ich tat so, als hätte ich das mit dem nächsten Mal gar nicht gehört.
»Möchten Sie sich die Wohnung nicht noch mal ansehen?«
»Doch, sicher.«
Während er von Raum zu Raum wanderte, starrte er die meiste Zeit zur Zimmerdecke hinauf, als könnte er dort interessante Muster sehen. In den Ecken hingen mehrere Spinnweben, die Louise und mir entgangen waren. Im Schlafzimmer öffnete er den Einbauschrank und sah einen Moment auf meinen Wäschekorb hinunter. Ein seltsames kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Dann richtete er sich auf und sah mich an: »Jetzt könnte ich ein Glas Wein vertragen.«
»Ich habe keinen da.«
»Dann ist es ja gut, dass ich uns ein Fläschchen mitgebracht habe.«
Er beugte sich hinunter, öffnete seinen Rucksack und zog eine schlanke grüne Flasche heraus. Ich berührte sie: Sie war noch ganz kalt, und an ihrem Hals liefen Wassertropfen hinunter.
»Besitzen Sie einen Korkenzieher?«
Obwohl mich die Aussicht, mit ihm Wein zu trinken, nicht gerade mit Begeisterung erfüllte, reichte ich ihm einen, woraufhin er mir den Rücken zukehrte, um die Flasche zu öffnen. Ich hielt ihm zwei Gläser hin, die er langsam und
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