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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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ich ihr zur Antwort gab, es tue mir Leid, aber dies sei ein Notfall.
    »Wollen Sie zurück in Ihre Klasse?«, fragte sie.
    »Lieber nicht«, antwortete ich. »Ich rede besser erst mal mit der Polizei. Ich muss wissen, was sie dazu sagt. Ich warte hier auf sie.«

    Eine Weile schwiegen wir. Pauline starrte mich an, als wäre ich ein unberechenbares wildes Tier, mit dem man vorsichtig umgehen musste. Zumindest schien es mir so.
    Tatsächlich wäre ich wohl wirklich bei der kleinsten Berührung ausgeflippt. Schließlich meinte Pauline achselzuckend: »Ich gehe raus und rede mit Mrs. Tite.«
    »Ja«, antwortete ich geistesabwesend.
    An der Tür drehte sie sich noch einmal um.
    »Wollen Sie damit sagen, dass jemand anderer dafür verantwortlich ist? Für die Zeichnung?«
    Ich drückte meine Zigarette aus und zündete mir eine neue an.
    »Ja«, antwortete ich. »Da ist etwas Schreckliches im Gang. Etwas ganz Schreckliches. Ich muss dafür sorgen, dass das so schnell wie möglich ein Ende hat.«
    Pauline wollte noch etwas hinzufügen, überlegte es sich dann aber anders und ließ mich allein in ihrem Büro zurück. Ich rauchte eine Zigarette nach der anderen und verlor dabei jedes Zeitgefühl. Irgendwann griff ich nach einer Zeitung, die auf Paulines Schreibtisch lag, konnte mich aber nicht aufs Lesen konzentrieren. Es muss etwa eine halbe Stunde gedauert haben, bis ich draußen schließlich Stimmen hörte und Aldham gefolgt von Pauline hereinkam. Sie hatte ihm bereits alles gesagt, was sie wusste. Ich hielt mich nicht mit Begrüßungsfloskeln auf.
    »Sehen Sie sich das an«, sagte ich und deutete auf das Malheft, das noch immer aufgeschlagen auf dem Tisch lag. »Das bin ich. Das ist eine verdammt genaue Abbildung meines Schlafzimmers. Das kann man von dem verdammten Pub aus nicht sehen.«
    Vielleicht hatte Pauline ihn bereits auf meinen aufgelösten Zustand vorbereitet, denn er wies mich nicht zurecht und schnauzte auch nicht zurück. Er warf lediglich einen Blick auf die Zeichnung und murmelte dann etwas, das ich nicht verstand. Er machte einen bestürzten Eindruck.
    »Wo ist das gemacht worden?« Er sah mich an.
    »Woher soll ich das wissen?« Ich versuchte, mich ein wenig zu beruhigen, mich zu konzentrieren. »Es war ein ganzer Stapel solcher Hefte. Sie lagen das Wochenende über in der Schule, nachdem ich sie am Freitag eingesammelt hatte.«
    »Wo wurden sie aufbewahrt?«
    »Im Klassenzimmer. Am Mittwoch nahm ich sie dann mit nach Hause und brachte sie am nächsten Morgen wieder mit.«
    »Hatten Sie sie zu Hause immer im Blick?«
    »Natürlich nicht. Was glauben Sie denn! Ich habe mich nicht daneben gesetzt und sie die ganze Nacht bewacht!
    Entschuldigen Sie. Tut mir wirklich Leid. Es ist bloß, o mein Gott! Tut mir Leid. Lassen Sie mich nachdenken.
    Ach ja, ich war mit ein paar Freundinnen im Kino und bestimmt zwei bis drei Stunden außer Haus. Das war an dem Tag, als ich den Brief auf meiner Fußmatte gefunden habe. Das habe ich Ihnen damals ja erzählt. Den ersten Brief – zumindest dachte ich, es wäre der erste. Ich habe ihn weggeworfen.«
    Aldham zog die Nase kraus und nickte. »Ja«, sagte er, wich dabei aber meinem Blick aus. Er machte einen verwirrten, besorgten Eindruck. »Wann haben Sie die Hefte zurückgegeben?«
    »Wie ich Ihnen schon gesagt habe, am nächsten Morgen.
    Ich hatte sie nur an dem einen Abend zu Hause liegen; da bin ich ganz sicher. Hundertprozentig.«

    »Aber die Zeichnung ist erst heute entdeckt worden?«
    Pauline trat vor. »Die Mutter hat erst heute Morgen einen Blick in das Heft geworfen«, erklärte sie.
    »Hat sich der Betreffende auch noch an anderen Heften zu schaffen gemacht?«, wollte Aldham wissen.
    »Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Ich glaube nicht. Aber ich kann es Ihnen nicht mit Sicherheit sagen. Ich –«
    »Wir werden die anderen Hefte überprüfen«, unterbrach mich Pauline.
    Ich zündete mir eine neue Zigarette an. Mein Herz schlug wie wild. Ich hatte das Gefühl, meinen Herzschlag überall spüren zu können, im Gesicht ebenso wie in den Armen und Beinen.
    »Was halten Sie davon?«, fragte ich.
    »Augenblick«, antwortete er.
    Er nahm ein Handy aus der Tasche und zog sich in eine Ecke des Raums zurück. Ich hörte, wie er nach Detective Inspector Carthy fragte und sich dann im Flüsterton mit ihm zu unterhalten begann. Offenbar gab es verschiedene Grade des Nichtzusprechenseins. Obwohl Aldham so leise redete, bekam ich doch Bruchstücke des Gesprächs mit.
    »Sollen

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