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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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wir mit Stadler sprechen? Ja, Detective Inspector Cameron Stadler. Und Grace Schilling? …
    Könnt ihr sie anrufen? Und schickt jemanden mit der Akte hin. Am besten Lynne, sie hat ein Händchen für solche Fälle. Wir treffen uns dort … Ja, bis später.«
    Aldham verstaute sein Telefon und wandte sich an Pauline.
    »Kann Miss Haratounian für eine Weile mit uns kommen?«
    »Selbstverständlich«, antwortete Pauline. Sie musterte mich besorgt. »Alles in Ordnung?«

    »Das haben wir bestimmt bald geklärt«, meinte Aldham.
    »Reine Routine.« Er zog ein Taschentuch heraus und griff damit nach Elinors Malheft.

    Die Fahrt dauerte ziemlich lang, weil wir quer durch London mussten. Das übliche Verkehrschaos gestaltete sich am Freitag noch schlimmer als sonst. Ein Lastwagen war bei seinem Versuch, in den Hof einer Baufirma einzubiegen, stecken geblieben, sodass Aldham eine Abkürzung nahm, dann aber in einem Wohngebiet nahe der Balls Pond Road in einen neuen Stau geriet.
    »Fahren wir zum Polizeirevier?«, fragte ich.
    »Vielleicht später«, antwortete er zwischen zwei Flüchen.
    »Erst mal treffen wir uns mit einer Frau, die sich mit solchem Psychozeug auskennt.«
    »Was halten Sie von der Zeichnung?«
    »Es gibt schon kranke Leute, was?«
    Ich war mir nicht ganz sicher, ob er damit den Künstler meinte oder eine alte Frau, die gerade im Schneckentempo die Straße überquerte.
    Eine knappe Stunde später hielten wir vor einem Gebäude an, das in einem Wohngebiet lag und aussah wie eine Schule, in dem jedoch die Welbeck-Klinik untergebracht war, wie man auf einem draußen angebrachten Schild lesen konnte. Im Empfangsbereich saß eine Polizeibeamtin, die in die Lektüre von Akten vertieft war. Als sie uns bemerkte, klappte sie die Mappe zu und kam zu uns herüber. Sie reichte Aldham die Unterlagen.
    »Warten Sie bitte hier auf mich«, wandte er sich an mich.

    »Kollegin Burnett wird Ihnen Gesellschaft leisten.«
    »Lynne«, sagte sie mit einem beruhigenden Lächeln. Sie hatte große Augen und ein violettes Muttermal auf der Wange. An jedem anderen Tag hätte ich sie auf Anhieb sympathisch gefunden.
    Ich wollte mir eine Zigarette anzünden, aber da das Rauchen im Klinikbereich verboten war, stellten Lynne und ich uns auf die Treppe hinaus, wo Lynne netterweise eine mitrauchte, obwohl sie nicht allzu viel Übung darin zu haben schien. Ich glaube, sie tat es wirklich nur, damit ich nicht allein rauchen musste. Zu meiner großen Erleichterung versuchte sie nicht, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Nach nur zehn Minuten kam Aldham in Begleitung einer großen Frau in einem langen grauen Mantel zu uns heraus. Sie hatte ihr blondes Haar locker hochgesteckt und trug einen ledernen Aktenkoffer und eine Umhängetasche aus khakifarbenem Segeltuch. Ich schätzte sie nicht viel älter als mich, vielleicht Anfang dreißig.
    »Miss Haratounian, das hier ist Dr. Schilling«, stellte Aldham sie mir vor.
    Wir gaben uns die Hand. Dabei musterte sie mich mit zusammengekniffenen Augen, als wäre ich eine Patientin mit einer besonders seltenen Krankheit, die zur Untersuchung in die Klinik gebracht worden war.
    »Es tut mir wirklich Leid«, sagte sie. »Ich muss zu einer Besprechung und bin schon spät dran, wollte aber trotzdem noch schnell mit Ihnen reden.«
    Plötzlich fühlte ich mich völlig am Boden zerstört. Ich war durch ganz London gefahren, um mit einer Frau zu sprechen, die auf der Treppe einer Klinik an mir vorbeihastete.
    »Was halten Sie von der Zeichnung?«, fragte ich sie.

    »Ich bin der Meinung, man sollte die Sache ernst nehmen.« Sie warf Aldham einen strengen Blick zu.
    »Vielleicht hätte man sie schon ein bisschen früher ernst nehmen sollen.«
    »Aber es könnte sich doch um einen Scherz handeln, meinen Sie nicht?«
    »Führ ihn ist es ein Scherz«, antwortete sie mit besorgter Miene.
    »Aber er hat mir bisher nichts getan, ich meine, er hat mich nicht körperlich angegriffen.« Angesichts des Ernstes, mit dem sie die Sache behandelte, hätte ich das Ganze am liebsten in einen dummen Streich zurückverwandelt.
    »Genau«, pflichtete mir Aldham ein wenig zu enthusiastisch bei.
    »Das Problem an diesem Argument«, erklärte Dr. Schilling eher an Aldham als an mich gewandt, »ist, dass …« Sie hielt mitten im Satz inne. Was hatte sie sagen wollen? Sie schluckte, ehe sie weitersprach, »… es nicht zu Miss Haratounians Sicherheit beiträgt.«
    »Nennen Sie mich Zoë«, sagte ich. »Das ist nicht ganz so

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