Der Sommermörder
haben: Er trennte strikt zwischen Arbeit und Privatleben, genauso wie zwischen Sex und Schlaf. Ich hatte die Trennlinie überschritten, und darüber war er nicht gerade erfreut.
»Hallo«, sagte er, betonte seinen Gruß aber wie eine Frage.
»Hallo.« Ich drückte ihm einen Kuss auf seine schweißnasse Wange. »Tut mir Leid. Sie wollten unbedingt mit dir reden. Ich habe ihnen gesagt, dass das nicht nötig ist.«
»Jetzt?«, fragte er argwöhnisch. »Wir stecken gerade mitten in der Arbeit. Ich kann nicht einfach aufhören.«
»Es war nicht meine Idee«, erwiderte ich. »Ich wollte dir bloß persönlich sagen, wie Leid es mir tut, dass du da hineingezogen wirst.«
Sein Gesicht wirkte plötzlich hart. »Was soll denn das ganze Theater überhaupt?«
Ich berichtete in Kurzform über die Ereignisse an der Schule, hatte aber den Eindruck, dass er mir gar nicht zuhörte. Er benahm sich wie einer von diesen schrecklichen Typen, die sich auf einer Party mit einem Mädchen unterhalten, ihr dabei aber nicht in die Augen sehen, sondern über ihre Schulter hinweg auf eine besser aussehende Frau starren. In meinem Fall starrte Fred zu Aldham hinüber, der am anderen Ende des Gartens neben der Tür wartete, durch die man ins Haus gelangte.
»Und deswegen hat sie mir geraten, in den nächsten Tagen nicht allein in meine Wohnung zu gehen.«
Ich sah Fred erwartungsvoll an. Bestimmt würde er mir gleich voller Mitgefühl anbieten, dass ich, wenn ich wolle, natürlich gern bei ihm bleiben könne, bis diese ganze Sache geklärt sei. Ich wartete darauf, von ihm in den Arm genommen zu werden und ihn sagen zu hören, dass alles gut ausgehen werde und er jederzeit für mich da sei. Sein Gesicht wirkte unter der glänzenden Schweißschicht wie eine Maske. Ich konnte überhaupt nicht sagen, was er dachte.
Langsam wanderte sein Blick zu meinen Brüsten hinunter. Ich spürte, wie mir die Schamröte ins Gesicht stieg, gleichzeitig aber eine brennende Wut in mir hochkam. »Ich …«, fing er an, hielt dann aber inne und sah mich an. »Also gut, ich rede kurz mit ihnen. Auch wenn ich zu der Sache nichts zu sagen habe.«
»Da wäre noch was«, erklärte ich. Ich war selbst überrascht über meine Worte. »Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen.«
Das brachte seinen wandernden, leicht entrüsteten Blick zum Stillstand. Mit einem Schlag wirkte seine Miene nicht mehr so vage und unbeteiligt. Er starrte mich ungläubig an. An seiner Schläfe begann eine Vene zu pulsieren, und seine Kiefermuskeln zuckten.
»Dürfte ich den Grund erfahren, Zoë?«, fragte er schließlich. Seine Stimme klang eisig.
»Vielleicht ist der Zeitpunkt einfach nicht günstig«, antwortete ich.
»Du machst also mit mir Schluss?«
»Ja.«
Sein schönes Gesicht überzog sich mit Zornesröte. Aus kalten Augen musterte er mich von oben bis unten, als wäre ich in einem Schaufenster ausgestellt, eine Ware, von der er noch nicht wusste, ob er sie kaufen wollte oder nicht. Dann verzog er die Mundwinkel zu einem kleinen bösen Grinsen. »Wer zum Teufel glaubst du, dass du bist?«, fragte er.
Ich sah ihn an, betrachtete sein schweißnasses Gesicht und seine vor Zorn hervortretenden Augen.
»Ich habe Angst«, antwortete ich. »Und ich brauche Hilfe, aber die werde ich von dir wohl nicht bekommen, oder?«
»Du Fotze!«, sagte er. »Du arrogante Fotze!«
Ich drehte mich um und ging. Ich wollte nur noch weg, an einen Ort, an dem ich sicher war.
Das Haar hängt ihr offen über die Schultern. Es müsste dringend gewaschen werden; der Scheitel wirkt dunkel und ein bisschen fettig. Sie ist in den letzten paar Wochen stark gealtert. Vom äußeren Rand ihrer Nasenflügel verlaufen tiefe Furchen bis zu ihren Mundwinkeln, sie hat dunkle Ringe unter den Augen und eine leichte Querfalte über den Brauen, als hätte sie stundenlang die Stirn gerunzelt. Ihre Haut sieht ungesund aus, unter der Bräune wirkt sie blass und ein wenig schmuddelig. Auf Ohrringe hat sie heute verzichtet. Sie trägt eine alte Baumwollhose, hellbeige würde man die Farbe wohl nennen, und dazu ein weißes Kurzarmhemd. Die Hose ist ihr zu weit und müsste gebügelt werden, an dem Hemd fehlt ein Knopf. Sie kaut an der Seite ihres rechten Mittelfingers herum, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie blickt sich häufig um, aber ihr Blick bleibt nie länger als eine Sekunde an einer Person hängen. Manchmal kneift sie die Augen zusammen, als wäre sie kurzsichtig. Sie raucht die ganze Zeit, zündet
Weitere Kostenlose Bücher