Der Sommermörder
mich gar nicht so schlecht. Leider hatte ich nichts Frisches zum Anziehen dabei, sodass ich noch einmal in die Sachen schlüpfen musste, die ich am Tag zuvor getragen hatte und die sich schon ein bisschen schmuddelig anfühlten.
Nachdem ich eine Scheibe Toast gegessen und meinen Kaffee getrunken hatte, rief ich Guy an, um zu hören, ob sich mit der Wohnung etwas getan hatte. Er klang verlegen und auf eine vorsichtige Weise besorgt, gar nicht so munter und schmeichlerisch wie sonst.
»Wie ich höre, läuft’s bei Ihnen zurzeit nicht so gut«, sagte er. Natürlich hatte die Polizei inzwischen mit ihm gesprochen.
»Nicht gerade großartig. Irgendwas Neues wegen der Wohnung?«
»Mr. Shale möchte sie sich noch einmal ansehen. Er ist ernsthaft interessiert. Meiner Meinung nach haben wir ihn schon am Haken. Jetzt müssen wir den Fisch bloß noch an Land ziehen.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich müde.
»Ich glaube, er ist kurz davor, uns ein Angebot zu machen«, antwortete Guy. »Er lässt fragen, ob es Ihnen heute Mittag passen würde.«
»Könnten Sie das diesmal nicht für mich übernehmen?«
Guy lachte auf seine übliche, irritierende Weise. »Ich könnte schon, aber er möchte Sie noch ein paar Sachen fragen. Ich werde auch dabei sein.«
»Gut.« Ich dachte an Aldhams Warnung. Keine fremden Männer mehr.
Wir vereinbarten, dass wir uns um zwölf in seinem Büro treffen würden, Guy, ich und Nick Shale. Auf diese Weise konnte mir nichts passieren. Wir würden uns zu dritt in meine Wohnung begeben, eine rasche Besichtigungsrunde drehen und nach ein paar Minuten wieder gehen. Louise bestand darauf, dass ich mit dem Taxi zu Guy fuhr, was zur Folge hatte, dass wir eine halbe Stunde lang fluchend im Stau standen und ich mal wieder schweißgebadet zu spät kam. Die beiden Männer warteten bereits auf mich, Guy in einem leichten blauen Anzug, Nick in Jeans und weißem T-Shirt. Wir reichten uns formell die Hand.
Als wir an der Wohnung angekommen waren, zog Guy seinen dicken Schlüsselbund heraus, sperrte auf und ging als Erster hinein. Nick trat einen Schritt zurück, um mir den Vortritt zu lassen. Sofort fiel mir der eigenartige, seltsam süßliche Geruch auf. Nick rümpfte die Nase und sah mich fragend an.
»Da habe ich wohl irgendwas nicht in den Kühlschrank getan«, sagte ich. »Ich war schon eine Weile nicht mehr hier.«
Es kam aus der Küche. Als ich die Tür aufschob, wurde der Geruch stärker, aber ich konnte seinen Ursprung noch immer nicht identifizieren. Mein Blick glitt über die Arbeitsfläche. Nichts. Ich schaute in den Mülleimer, er war leer. Als Nächstes öffnete ich den Kühlschrank.
»O Gott!«, sagte ich.
Das Licht ging nicht an. Im Kühlschrank war es warm.
Auf den ersten Blick schien es nicht allzu schlimm. Die Milch war sauer geworden, aber ansonsten hielt sich der Schaden in Grenzen. Mir war klar, dass das dicke Ende erst noch kam. Vorsichtig öffnete ich das kleine Gefrierfach über dem Kühlschrank. Bei dem Anblick, der sich mir bot, konnte ich ein Stöhnen nicht unterdrücken.
Es sah aus, als hätte jemand alles durcheinandergemischt.
Aus einer seitlich daliegenden Packung Kaffeeeis hatte sich der Inhalt über eine offene Tüte Garnelen ergossen.
Der Anblick und Geruch dieser Mixtur aus Tage alten Garnelen und geschmolzenem Eis ließ mich würgen. Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle übergeben.
»Verdammter Mist!«, fluchte ich.
»Zoë.« Guy legte mir nur leicht die Hand auf die Schulter, aber ich zuckte erschrocken zurück. »Kein Grund, sich aufzuregen, Zoë. So was passiert eben mal.«
»Bin gleich wieder da«, sagte ich. »Ich muss die Polizei anrufen.«
»Was?«, fragte er. Seine Miene wirkte bestürzt, fast peinlich berührt.
Ich wandte mich zu ihm um. »Seien Sie still! Halten Sie verdammt noch mal den Mund. Und bleiben Sie mir bloß vom Leib!«
»Zoë …«
»Seien Sie still!« Inzwischen schrie ich ihn fast an.
Er wollte etwas sagen, hob dann aber resignierend die Hände.
»Na schön, wie Sie wollen!«
Er warf einen ängstlichen Blick zu Nick hinüber.
Offenbar befürchtete er, dass aus dem Verkauf der Wohnung nun nichts werden würde. Für mich spielte das keine Rolle. Mir ging es bloß noch darum, am Leben zu bleiben. Ich tippte die Nummer, die ich inzwischen auswendig konnte, und verlangte nach Carthy. Diesmal kam er gleich ans Telefon. Keine Zicken mehr. Er sagte, er werde sofort kommen. Tatsächlich war er in weniger als zehn Minuten da,
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