Der Sommermörder
wirklich mal etwas gekocht hatte, mit einem Rezept und richtigen Zutaten.
»Für das Abendessen bin heute ich zuständig!«, verkündete ich großspurig. Es würde mir gut tun, für ein paar Stunden die Hausfrau zu spielen. Ich legte frische Pasta in unseren Einkaufswagen, außerdem spanische Zwiebeln, große Knoblauchzehen, italienische Eiertomaten, eine Tüte mit Salatherzen, eine Gurke. Für die Nachspeise Mangos und Erdbeeren. Einen Becher Sahne. Eine Flasche Chianti. Zum Schluss erstand ich eine Sparpackung Slips, ein Deo, einen Waschlappen, eine Zahnbürste und Zahnpasta. Seit gestern früh hatte ich mir die Zähne nicht mehr geputzt. Ich würde mir ein paar Klamotten aus der Wohnung holen müssen.
»Morgen«, sagte Louise in bestimmtem Ton. »Heute nicht mehr. Wir können morgen früh zusammen hinfahren. Mit dem Wagen. Bis dahin hast du ja deine Kindersachen.«
An der Kasse legte ich noch ein paar mit Zellophan umwickelte Rosen in unseren Einkaufswagen. »Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll, Louise.«
»Dann lass es doch einfach.«
Eine Freundin von Louise, Cathy, kam ebenfalls zum Essen. Sie war außergewöhnlich groß und dünn und hatte eine Adlernase und winzige Ohren. Louise hatte ihr offensichtlich von mir erzählt, denn sie ging sehr vorsichtig und nett mit mir um. Leider hatte ich die Nudeln zu lange kochen lassen, aber die Tomatensoße war gut, und die Nachspeise auch. Selbst die schlechteste Hausfrau ist in der Lage, Mangos und Erdbeeren aufzuschneiden und in einer Schüssel miteinander zu vermischen. Louise zündete Kerzen an und befestigte sie mit ein paar Wachstropfen auf alten Untertassen. Als ich mich schließlich in meinem neuen grauen Hemdkleid am Küchentisch niederließ, fühlte ich mich leicht benebelt, als würde ich das alles nur träumen. Ich hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend, konnte aber nicht viel essen.
Auch das Reden fiel mir schwer. Es reichte mir schon, einfach nur dazusitzen und zuzuhören. Zum Teil drang ihre leicht dahinplätschernde Unterhaltung gar nicht richtig in mein Bewusstsein.
Während wir erst meinen Chianti und dann fast den ganzen Weißwein tranken, den Cathy mitgebracht hatte, sahen wir uns im Fernsehen einen alten Film an, einen Thriller, aber ich konnte mich nicht auf die Handlung konzentrieren. Meine Gedanken schweiften mitten in einer Szene ab, sodass ich nicht mitbekam, wieso der Held in der nächsten Sequenz in ein Lagerhaus einbrach. Mir war völlig schleierhaft, was er damit bezweckte oder was er dort zu finden hoffte. Draußen begann es zu regnen. Große Tropfen prasselten auf das Dach und ans Fenster. Noch bevor Cathy ging, legte ich mich schlafen. Bekleidet mit einem dünnen Nachthemd von Louise, rollte ich mich in dem kleinen Wohnzimmer auf der Couch zusammen und lauschte dem beruhigenden Gemurmel der beiden Frauen in der Küche, das hin und wieder von Lachen unterbrochen wurde, bis ich schließlich mit einem Gefühl von Geborgenheit in den Schlaf hinüberglitt.
Am nächsten Morgen fuhren wir nach dem Frühstück zu meiner Wohnung, um ein paar Klamotten für mich zu holen. Obwohl ich nicht vorhatte, je wieder in der Wohnung zu leben, würde ich mein ganzes Zeug erst später zusammenpacken und diesmal nur das Wichtigste mitnehmen. Noch immer regnete es ununterbrochen.
Louise fand im näheren Umkreis der Wohnung keinen Parkplatz, sodass sie ein paar Meter von der Haustür entfernt im Halteverbot wartete. Ich sagte, ich würde rasch hinaufspringen.
»Ich brauche bloß ein paar Minuten.«
»Bist du sicher, dass ich nicht mitkommen soll?«
Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich möchte mich nur kurz verabschieden.«
Obwohl ich gerade mal einen Tag weggewesen war, wirkte die Wohnung heruntergekommen und vernachlässigt, als wüsste sie, dass sich niemand mehr um sie kümmerte. Ich ging ins Schlafzimmer und nahm ein paar Kleider aus dem Schrank, außerdem zwei Hosen, vier T-Shirts, ein paar Slips, BHs, mehrere Paar Socken und zwei Paar Turnschuhe. Das musste erst mal reichen.
Nachdem ich alles in einer großen Reisetasche verstaut hatte, ging ich ins Bad, zog meine schmutzigen Sachen aus und warf sie in eine Ecke. Meine Dreckwäsche würde ich später abholen. Ein andermal.
Ich hörte ein Klicken, als wäre eine Schranktür zugefallen. Das habe ich mir nur eingebildet, beruhigte ich mich selbst. Offenbar ging mal wieder meine Phantasie mit mir durch. Ich kehrte ins Schlafzimmer zurück, wo ich frische Unterwäsche aus der
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