Der Sommermörder
Post an die Reihe. Normalerweise sind neunzig Prozent für Clive. Die restlichen zehn Prozent verteilen sich auf die Kinder, die Haustiere – 1999
waren das eine Katze, die entweder vor ein Auto gelaufen war oder irgendwo einen besseren Platz gefunden hatte, und ein Hamster, der in der hintersten Ecke unseres Gartens in Battersea begraben lag – und mich. Zur Zeit hatten wir keine Haustiere, allerdings spielte ich schon eine Weile mit dem Gedanken, mir einen Hund anzuschaffen. Eigentlich hatte ich immer die Meinung vertreten, dass London nicht der geeignete Ort war, einen Hund zu halten, aber nun, da wir nur zwei Minuten von Primrose Hill entfernt wohnen, ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich mit sehnsuchtsvollem Blick darüber nachdenke. Clive weiß allerdings noch nichts davon.
Die Post war schnell durchgesehen. Alles, worauf Clives Name stand, kam auf einen Stapel. Ebenso alle Rechnungen. Ich kann eine Rechnung schon aus zwanzig Metern Entfernung erkennen, sodass ich sie meist gar nicht erst aufzumachen brauche. Alles, was an Mr. und Mrs.
Hintlesham adressiert war, landete ebenfalls auf Clives Stapel. Wie üblich trug ich die so geordneten Briefe anschließend nach oben und legte sie meinem Mann in seinem Allerheiligsten auf den Schreibtisch, damit er sich abends nach der Arbeit oder – noch wahrscheinlicher – am Wochenende darum kümmern konnte.
Blieben bloß noch zwei Briefe an Josh und Harry, identische Nachrichten aus Lascelles, in denen sie darüber informiert wurden, dass demnächst der große Sporttag stattfand, sowie diverse Werbeanzeigen und Spendenaufrufe, die ich sofort in den Papierkorb warf. Zu guter Letzt hielt ich ein an mich adressiertes Kuvert in der Hand. Fast immer entpuppten sich Briefe, auf denen mein Name stand, als Rechnungen irgendwelcher Versandhäuser, die umgehend auf Clives Stapel landen.
Wenn nicht, handelt es sich in der Regel um Schreiben von Versandhäusern, die meine Adresse von anderen Versandhäusern bekommen haben.
Nicht so bei diesem Brief. Name und Adresse waren sauber mit der Hand geschrieben, aber es war keine Handschrift, die ich kannte, weder die meiner Mummy noch die einer Freundin oder Bekannten. Interessant. Ich hatte fast das Gefühl, den Moment genießen zu müssen.
Ich schenkte mir eine weitere Tasse Kaffee ein und nahm einen Schluck, bevor ich das Kuvert öffnete. Er enthielt ein zusammengefaltetes Stück Papier, das viel zu klein für den Umschlag war. Ich sah gleich, dass nicht viel darauf stand. Gespannt strich ich den Zettel glatt: Liebe Jenny, ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich dich Jenny nenne. Ich finde dich nämlich sehr schön. Du riechst sehr gut, Jenny, und du hast eine schöne Haut.
Und ich werde dich töten.
So was Blödes. Ich überlegte, ob mir vielleicht jemand einen Streich spielen wollte. Manche von Clives Freunden haben einen makabren Sinn für Humor. Ein Freund namens Seb hat ihn beispielsweise mal zu einem ganz fürchterlichen Herrenabend eingeladen, an dem zwei Stripperinnen auftraten und am Ende alle Lippenstift am Hemdkragen hatten. Wie auch immer, während ich noch überlegte, kam Jeremy herunter, und wir begannen über ein paar von den Küchenproblemen zu sprechen. Während der letzten, schrecklich heißen Tage war mir durch den Kopf gegangen, ob es nicht besser wäre, die Oberlichte so nachzurüsten, dass man sie öffnen konnte. In der Zeitschrift House and Garden hatte ich Fenster gesehen, die sich durch eine Schnur öffnen ließen. Ich zeigte Jeremy das Bild, aber er war nicht beeindruckt. Das ist er nie, es sei denn, die Idee stammt von ihm selbst. Wir gerieten uns deswegen ziemlich in die Haare, auch wenn ich zugeben muss, dass Jeremy dabei recht witzig war.
Stur, aber witzig. Plötzlich fiel mir der Brief wieder ein, und ich zeigte ihn Jeremy.
Wider Erwarten lachte er nicht. Das fand er nun überhaupt nicht komisch. »Hast du eine Ahnung, wer das geschrieben haben könnte?«, fragte er.
»Nein«, antwortete ich.
»Dann rufst du besser die Polizei an.«
»Ach, sei nicht albern. Wahrscheinlich will mir nur jemand einen Streich spielen. Da mache ich mich doch lächerlich.«
»Und wenn schon. Selbst wenn es sich um einen Streich handelt. Du musst die Polizei anrufen.«
»Ich werde den Brief Clive zeigen.«
»Nein«, widersprach Jeremy entschieden. »Ruf die Polizei an. Jetzt sofort. Wenn es dir peinlich ist, mache ich es für dich.«
»Jeremy!«
Er ließ sich nicht davon abbringen. Nicht genug, dass
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