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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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trotz alledem zufrieden, denn jetzt besaß ich endlich, was ich schon immer gewollt und was Clive mir schon so lange versprochen hatte: ein Projekt. Das Haus bestand nur noch aus blanken Dielenbrettern und Wänden, war sozusagen auf den Rohbau reduziert. Nun würde ich das Ganze in ein Zuhause verwandeln, auf das wir stolz sein konnten. Ich weiß, dass man sich eigentlich auf Anhieb in ein Haus verlieben sollte, aber in dieses Haus würde man sich erst in frühestens sechs Monaten verlieben können. Vor uns hatten es zwei nette alte Leute bewohnt, und es hatte darin ausgesehen wie in einem Antiquariat, das schon seit den fünfziger Jahren niemand mehr betreten hatte. Die Frage war nicht gewesen, wie viel man verändern sollte, sondern ob man überhaupt irgendetwas so lassen konnte, wie es war.
    Vier Monate lang saß ich mit Jeremy, unserem cleveren Architekten, über die Pläne gebeugt, wobei ich ihn ständig mit Espresso wach hielt. Es ging im Grunde bloß darum, alles möglichst einfach zu gestalten. Erst mal alles rausreißen, dann ein neues Dach. Küche und Esszimmer ins Untergeschoss, den Wohnbereich ins Erdgeschoss, Clives Arbeitszimmer in den hinteren Teil des ersten Stocks und dann Schlafzimmer bis unters Dach. Für das Kindermädchen eine ausgebaute Mansardenwohnung, damit sie anstellen konnte, was Kindermädchen so anstellen, ohne gleich die Pferde scheu zu machen. Und natürlich mehrere Bäder. Je ein eigenes für Clive und mich und eine Powerdusche für die Jungs, in der Hoffnung, dass sie das vielleicht dazu bewegen würde, sich hin und wieder zu waschen.
    An diesem Morgen erschien Jeremy gegen halb neun in Begleitung von Mick, um ein Problem wegen eines Bogens oder Balkens in Angriff zu nehmen, dicht gefolgt von Francis, den wir mitgebracht hatten, damit er sich um das kümmerte, was man uns als Garten verkauft hatte –

wobei kümmern in diesem Fall völlig neu gestalten hieß.
    Ein Garten von sechsunddreißig Metern Länge ist für London nicht schlecht, auch wenn das Ganze ausgesehen hat wie ein überdimensionales Kaninchengehege, bis Francis sich seiner annahm. Die Schar der Elektriker und Installateure ist mittlerweise Gott sei Dank weg, aber Mick und seine Leute kommen noch immer. Natürlich gibt es für alle Tee und Kaffee, sobald Lena zurück ist.
    Irgendwann zwischendrin bringe ich Christopher – er ist vier – in den Kindergarten, den er seit unserem Umzug besucht. Anfangs war ich leicht skeptisch, weil die Kinder dort nicht mal richtige Uniformen tragen, lediglich blaue Sweatshirts, und den ganzen Tag nichts anderes tun, als in riesigen Sandkästen zu spielen oder mit den Fingern zu malen, aber mittlerweile lohnte es sich kaum mehr, ihn da wieder rauszuholen und etwas anderes für ihn zu suchen.
    Im Herbst würde er sowieso nach Lascelles in die Vorvorschule gehen und sich somit nicht mehr in meiner Obhut befinden, was für mich eine gewisse Erleichterung bedeutete.
    Nachdem ich ihn abgeliefert hatte, fuhr ich zurück nach Hause und gönnte mir endlich ein paar Minuten, um einen Kaffee zu trinken und einen raschen Blick in die Zeitung und auf die Post zu werfen, bevor ich mich an die Arbeit machte – beziehungsweise im Haus herumrannte und die Leute davon abhielt, die falschen Wände durchzubrechen, oder als eine Art Verbindungsmann dafür sorgte, dass alles reibungslos lief. Leo, mein treuer Handwerker, würde ebenfalls vorbeikommen, und ich hatte bereits eine Liste von Dingen aufgestellt, die zu erledigen waren. Außerdem musste ich mit Jeremy noch eine ernste Diskussion über die Küche führen. Sie war bei unseren ganzen Planungen der härteste Brocken gewesen. In jedem anderen Teil des Hauses kann man irgendwie damit leben, wenn man etwas falsch gemacht hat, aber wenn die Kühlschranktür so aufgeht, dass sie die Besteckschublade blockiert, wird einen das fünfundzwanzigmal am Tag ärgern, bis man alt und grau ist. Ideal wäre es, die Küche erst mal provisorisch zu bauen, dann ein halbes Jahr darin zu leben und sie anschließend noch einmal neu zu gestalten, aber dafür ist selbst Clive nicht reich oder zumindest nicht geduldig genug.
    Lena traf ein, und ich gab ihr ein paar Anweisungen.
    Dann, während sie sich an die Arbeit machte, trank ich einen Schluck Kaffee und nahm mir endlich die Zeitung und die Post vor. Ich habe es mir zur strikten Regel gemacht, der Zeitung höchstens fünf Minuten zu widmen, wenn überhaupt. Es steht sowieso nicht viel Wichtiges drin. Dann kommt die

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