Der Sommermörder
deswegen ein paar Polizisten vor der Tür stünden. Ich hatte damit gerechnet, dass er beunruhigt oder zumindest beeindruckt sein würde, aber er lehnte nur in der Küchentür, kaute auf seiner Unterlippe herum und zuckte kurz mit den Achseln, bevor er, bewaffnet mit zwei Erdnussbutter-Sandwiches und einem Glas Milch, hinauf in sein Zimmer verschwand. Ich frage mich immer wieder, wie man so viel in sich hineinstopfen kann, ohne ein Gramm zuzunehmen.
Darüber, was er dort oben alles anstellt, denke ich lieber gar nicht nach. Er hat die Vorhänge immer zugezogen, und wenn er nicht gerade laute Musik hört, dringen aus seinem Zimmer die Pieptöne und Schreie dieser schrecklichen Computerspiele und der Duft von Räucherstäbchen, wahrscheinlich, damit wir die Zigaretten nicht riechen, die er ins Haus schmuggelt. Ich achte darauf, dass nur Mary sein Zimmer betritt, um dort aufzuräumen und das Bett frisch zu beziehen. Ich selbst setze keinen Fuß hinein, sondern beschränke mich darauf, ihn durch die Tür aufzufordern, seine Hausaufgaben zu machen, Saxofon zu üben, die Musik leiser zu stellen oder seine Dreckwäsche nach unten zu bringen. Er ist mit einem Schlag erwachsen geworden. Plötzlich ist er im Stimmbruch, hat kleine Pickel auf der Stirn und weichen Flaum über der Oberlippe. Und er ist viel größer als ich.
Er hat auch schon diesen seltsamen Männergeruch an sich, den nicht einmal die zahllosen Lotionen und Gele überlagern können, die junge Männer heutzutage benutzen. In unserer Jugend war das noch nicht üblich.
Christo ist natürlich noch zu klein, um die Sache mit dem Brief zu verstehen. Ihm gegenüber erwähnte ich davon nichts, schloss bloß seinen weichen kleinen Körper einen Moment in meine Arme. Er ist mein Baby.
Dann fuhr ich zum Baumarkt, um ein paar falsch gelieferte Haken zu reklamieren, aber er war bereits geschlossen. Das hatte mir gerade noch gefehlt.
Clive rief an, um mir mitzuteilen, dass er erst sehr spät nach Hause kommen würde, sodass ich, nachdem Harry eingetroffen war und ich Christo mit einer Gutenachtgeschichte ins Bett gebracht hatte, mit Josh und Harry zu Abend aß. Es gab Lasagne, die ich ein paar Stunden zuvor aus dem Gefrierfach genommen hatte, dazu Erbsen und als Nachtisch Vanilleeis mit Schokosoße. Wir waren alle drei ziemlich wortkarg. Ich sah zu, wie sich die Jungs mit Essen voll stopften, als hätten sie seit Tagen nichts bekommen. Ich selbst brachte bei der Hitze nicht viel hinunter.
Nachdem sich die Jungs wieder in ihre Zimmer verzogen hatten, setzte ich mich mit einem Glas Weißwein vor den Fernseher und blätterte nebenbei ein paar Kataloge durch.
Wir brauchten einen Esszimmertisch. Ich wusste genau, wonach ich suchte: eine Tafel aus gemasertem dunklem Holz, lang und schlicht. Kürzlich hatte ich einen entdeckt, bei dem kleine Mosaike aus unterschiedlichen Hölzern wie Untersetzer in die Tischplatte eingelegt waren, aber Jeremy hatte mir geraten, zuerst nach den passenden Stühlen zu suchen, die seien erfahrungsgemäß viel schwieriger zu finden.
Clive war noch immer nicht da. Aus Joshs Zimmer dröhnten die Bässe der schrecklichen elektronischen Musik, die er dauernd hört. Als ich die Vorhänge zuzog, sah ich draußen die beiden Polizisten in ihrem Wagen sitzen. Sobald wir einen Tisch haben, dachte ich, müssen wir unbedingt ein großes Essen veranstalten. Ich würde mein schwarzes Kleid und die Diamantkette tragen, die Clive mir zu unserem fünfzehnten Hochzeitstag geschenkt hatte. Ich griff nach einem Kochbuch und blätterte die Sommerrezepte durch. Als Aperitif würde es ein Glas Champagner geben, dann eisgekühlte Gurkensuppe mit Kerbel, anschließend mit Koriander gewürzten Tunfisch, dazu kalten Weißwein. Als Nachtisch Aprikosensorbet und als Tischdekoration die pfirsichfarbenen Rosen aus dem Garten, die Francis gleich nach unserem Umzug gepflanzt hatte. Ich hielt mir mein Glas an die Stirn. Diese Hitze!
Ich hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte.
Clive begrüßte mich mit einem Kuss auf die Wange. Er war vor Müdigkeit ganz grau im Gesicht. »Gott, was für ein Tag!«, stöhnte er.
»Es ist noch ein bisschen Lasagne da, falls du etwas möchtest.«
»Nein, ich habe mit ein paar Mandanten gegessen.«
Ich betrachtete ihn: teurer anthrazitgrauer Anzug, auf Hochglanz polierte schwarze Schuhe, die violett und grau gemusterte Krawatte, die ich ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, ein leichter Bauchansatz unter seinem tipptopp gebügelten
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