Der Sommermörder
ich schon sehr spät dran war, empfand ich es als Wohltat, endlich das Haus verlassen zu können.
Zumindest so lange, bis Lynne mir eröffnete, dass sie mich begleiten würde.
»Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«
»Tut mir Leid, Jenny.« Ja, sie nennt mich tatsächlich Jenny, obwohl ich ihr das nicht erlaubt habe. »Ich weiß nicht genau, wie wir das in den nächsten Tagen handhaben werden, aber heute habe ich Anweisung, Sie nicht aus den Augen zu lassen.«
Ich wollte gerade zu schimpfen beginnen, als es an der Haustür klingelte. Es war Stadler, sodass ich meinen Protest gleich bei ihm loswerden konnte. Er lächelte nur höflich.
»Das alles dient zu Ihrer eigenen Sicherheit, Mrs. Hintlesham. Ich wollte mich bloß kurz bei Ihnen melden und Sie fragen, ob Sie etwas dagegen haben, wenn wir Ihre Telefongespräche aufzeichnen.«
»Was bedeutet das für mich?«
»Nichts, weswegen Sie sich Sorgen machen müssten.
Sie werden gar nichts davon mitbekommen.«
»Na meinetwegen«, brummte ich.
»Wir möchten eine Liste der Leute zusammenstellen, mit denen Sie zu tun haben. Es wäre schön, wenn Sie heute oder morgen mit Lynne Ihr Adressbuch, Ihren Terminplaner und Ähnliches durchgehen könnten. Ist das möglich?«
»Halten Sie das wirklich für nötig?«
»Je effektiver wir jetzt arbeiten, desto schneller können wir die ganze Sache zu Ende bringen.«
Meine Wut war fast schon wieder verraucht. Ich empfand nur noch ein Gefühl leichten Abscheus.
Als Erstes fuhr ich zum Baumarkt, um endlich die Messinghaken zu holen. Dann warf ich einen Blick in ein Antiquitätengeschäft. Beinahe hätte ich ein rundes Buntglasfenster gekauft, das aus einer alten Kirche stammte, überlegte es mir im letzten Moment aber doch anders. Wenigstens war Lynne nicht mit in den Laden gekommen.
Dafür begleitete sie mich in die Läden in Hampstead oder blieb knapp vor der Ladentür stehen und starrte mit unbeteiligter Miene in die Schaufenster voller Damensachen. Keine Ahnung, was die Verkäuferinnen über sie dachten. Ich jedenfalls tat so, als würde ich sie nicht sehen. Ich brauchte etwas für Samstag Abend. Mit einem ganzen Arm voller Klamotten verschwand ich in die Umkleidekabine, aber als ich in einem perlenbestickten rosa Oberteil wieder herauskam, um mich in dem großen Spiegel zu betrachten, fiel mein Blick auf Lynne, die durchs Fenster zu mir hereinstarrte. Ich verließ das Geschäft mit leeren Händen.
»Fündig geworden?«, fragte sie, als wären wir alte Freundinnen, die miteinander einen Einkaufsbummel machten.
»Ich habe nichts Bestimmtes gesucht«, zischte ich.
Als Nächstes musste ich zum Metzger, um die Würstchen zu kaufen, die die Jungs so gern aßen. Gleich nebenan gab es einen weiteren schönen Antiquitätenladen.
Ich schaute kurz hinein, weil ich dort schon vor einiger Zeit ein Auge auf einen goldgerahmten Spiegel geworfen hatte, der perfekt in unsere Diele passen würde, wenn sie erst einmal gestrichen war. Er kostete dreihundertfünfundsiebzig Pfund, aber ich hoffte, ihn etwas billiger zu bekommen.
Nachdem ich die Stoffstreifen mit Christos Namen abgeholt hatte, die alle Schüler von Lascelles auf ihren Uniformen tragen mussten, traf ich mich mit Laura zum Mittagessen. Während ich den Hügel hinunterfuhr, hatte ich die ganze Zeit Lynnes Wagen im Rückspiegel. Laura wartete bereits auf mich, aber diesmal hatten wir nicht so viel Spaß wie sonst. Lynne saß draußen im Wagen und aß ein Sandwich, während ich drinnen mit meinem Salat kämpfte. Dann vertiefte sie sich in ein Taschenbuch.
Wenn in dem Restaurant ein Typ mit einer Axt auf mich losgegangen wäre, hätte sie wahrscheinlich nicht mal hochgeblickt. Es fiel mir schwer, mich auf das zu konzentrieren, was Laura sagte. Schließlich brach ich unser Mittagessen vorzeitig ab, indem ich behauptete, noch einen dringenden Termin zu haben.
Meine nächste Station war Tonys Salon in Primrose Hill.
Normalerweise genieße ich es, mir die Haare machen zu lassen. Es ist ein angenehmes Gefühl, umgeben von Spiegeln, Edelstahl und farbenfrohen Shampooflaschen in dem kleinen Raum zu sitzen und sich verwöhnen zu lassen, die feuchte, nach Parfüm duftende Luft einzuatmen und dem beruhigenden Klappern der Scheren zu lauschen.
An diesem Tag aber lief alles schief. Ich fühlte mich verschwitzt und gereizt, irgendwie daneben. Mein Kopf dröhnte, und die Kleider klebten mir am Körper. Mein neuer Haarschnitt gefiel mir auch nicht. Irgendwie ließ er meine Nase zu groß und
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