Der Sommermörder
halbe Stunde dünsten, dann konnte ich das Ganze in die Speisekammer stellen.
Als Nachtisch hatte ich eine große Aprikosentorte geplant. Sie macht immer viel her, und Aprikosen passen wundervoll in diese Jahreszeit. Ich rollte den Blätterteig aus (ich hatte ihn fertig gekauft, es gibt gewisse Grenzen) und legte ihn in eine Form. Dann bereitete ich eine Masse aus gemahlenen Mandeln, Puderzucker, Butter und Eiern zu und gab sie über den Teig. Zum Schluss halbierte ich die Aprikosen und legte sie obenauf. Geschafft. Ich schob die Torte ins heiße Backrohr, wo sie noch fünfundzwanzig Minuten brauchte, bis sie fertig war. Dazu würde es Unmengen von Schlagsahne geben. Wein und Champagner standen bereits im Kühlschrank, die Butter war in kleine Stückchen geschnitten. Die dunklen Brötchen würde ich am Nachmittag holen. Den grünen Salat konnte ich erst kurz vor dem Essen anrichten.
Wir würden in der Küche essen müssen, egal, wie wichtig Clives Mandant war, aber ich zog den chinesischen Raumteiler hervor, sodass der eigentliche Kochbereich abgetrennt war, und schmückte den Tisch mit der weißen Spitzendecke, die uns meine Cousine zur Hochzeit geschenkt hatte. Mit unserem schönen Silberbesteck und einem üppigen Strauß aus orangefarbenen und gelben Rosen ergab das ein höchst gelungenes Arrangement.
Ich hatte auch Emma und Jonathan Barton eingeladen.
Wer weiß, wie dieser Sebastian und seine Frau sein würden. Ich stellte mir einen City-Typen mit Bauchansatz und geplatzten Äderchen auf der Nase vor, und dazu eine taffe, ehrgeizige, gestylte Frau mit wasserstoffblondem Haar und breiten Hüften. Ich beneide solche Frauen nicht, auch wenn sie Leute wie mich oft ein wenig herablassend behandeln.
Ich wollte an diesem Abend gut aussehen. Emma Barton hat runde Hüften, einen großen Busen und volle Lippen, die sie immer knallrot schminkt, sogar morgens, wenn sie die Kinder in die Schule bringt. Auf mich wirkt sie manchmal ein bisschen gewöhnlich, aber die Männer fahren definitiv auf sie ab. Leider hat sie in letzter Zeit ein bisschen an Attraktivität verloren. Sie dürfte etwa in meinem Alter sein, vielleicht ein paar Jährchen älter, aber sie neigt dazu, nervös herumzuzappeln und ständig einen Schmollmund zu ziehen, was bei einer Zwanzig- oder Dreißigjährigen ganz in Ordnung ist, bei einer Vierzigjährigen aber ein wenig lächerlich wirkt. Wir kennen die Bartons schon seit Ewigkeiten. Vor zehn Jahren war er noch rasend besitzergreifend und konnte die Finger nicht von ihr lassen, aber inzwischen fällt mir auf, dass sein Blick des Öfteren an Frauen hängen bleibt, die genauso aussehen wie Emma damals.
Gegen sechs nahm ich ein ausgiebiges Bad und wusch mir die Haare. Unten hörte ich, wie die Tür aufgeschlossen wurde und Lena mit Chris hereinkam. Ich schlüpfte in den Bademantel und nahm vor dem Spiegel Platz. An diesem Abend sparte ich nicht mit Make-up.
Erst die Grundierung, dann Rouge auf die Wangen, graugrüner Lidschatten, dunkelgrauer Eyeliner, mein geliebter Faltenabdeckstift, pflaumenfarbener Lippenstift und zum Schluss ein paar Tropfen von meinem Lieblingsparfüm hinter die Ohren und aufs Handgelenk –
Letzteres würde ich später noch einmal wiederholen.
Normalerweise husche ich zwischen Vor- und Hauptspeise rasch in mein Zimmer hinauf, um mein Make-up nachzubessern und mich frisch einzuparfümieren. Das gibt mir Selbstvertrauen.
Ich zog ein langes schwarzes Kleid mit Spaghettiträgern an und darüber ein zartes Oberteil aus kastanienbrauner Spitze, das am Kragen und an den Ärmeln mit schwarzem Samt besetzt war, und für das ich letztes Jahr in Italien ein kleines Vermögen bezahlt hatte. Dazu hochhackige Schuhe, meine Diamantkette und Diamantohrringe.
Anschließend warf ich einen kritischen Blick in den Spiegel, wobei ich mich langsam um die eigene Achse drehte, um mich von allen Seiten zu betrachten. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass ich schon auf die vierzig zuging. Es kostet eine Menge Mühe, jung zu bleiben.
Ich hörte Clive nach Hause kommen. Als Nächstes musste ich Chris ins Bett bringen und dafür sorgen, dass er alles bekam, was er brauchte, bevor die Gäste eintrafen.
Hatte ich eigentlich die Pralinen auf die Anrichte gestellt?
Chris war sonnenverbrannt und quengelig. Ich erlaubte ihm, vor dem Einschlafen noch eine Roald-Dahl-Kassette zu hören, und schaltete sein Nachtlicht an. Hoffentlich würde er während des Essens kein Theater machen. Clive war duschen
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