Der Sommermörder
und auf der Fußmatte den üblichen Schund liegen sah. Keine richtige Post natürlich, nur der übliche Packen lächerlich bunter Werbezettel, auf denen einem die Leute anboten, zu jeder Pizzaeine kostenlose Cola mitzuliefern, die Fenster besonders gründlich zu putzen, das Haus zu schätzen und die Originalfenster durch Metallrahmen und Doppelfenster zu ersetzen.
Zwischen all diesen Blättern steckte ein Umschlag mit der Aufschrift: »Viktorianische Möbel – viele Sonderangebote.«
Das klang interessant, also öffnete ich den Umschlag.
Ich wette, Sie wissen nicht, wie Sie Ihre Briefe öffnen.
Sie machen es jeden Tag, aber Sie denken nie darüber nach. Ich weiß genau, wie es geht, denn ich war gezwungen, mich damit auseinander zu setzen. Man nimmt den Brief und dreht die Vorderseite mit der Adresse von sich weg. Wenn die Lasche des Kuverts ganz zugeklebt ist, versucht man eine Ecke zu lösen und vorsichtig daran zu ziehen, um auf diese Weise so viel Platz zu schaffen, dass man seinen Zeigefinger hineinschieben und den Umschlag entlang der Kante aufreißen kann. Jedenfalls machte ich es so, und das Komische daran war, dass ich keinen Schmerz fühlte.
Während ich den Umschlag öffnete, sah ich ein Stück graues Metall herausblitzen. Erst dann fiel mir auf, dass das Kuvert an einigen Stellen nass war, nass und voller roter Flecken.
Noch immer spürte ich keinen richtigen Schmerz, bloß ein dumpfes Ziehen in meiner linken Hand. Ich sah nach unten, und es dauerte ziemlich lang, bis ich begriff, was ich da sah. Alles war voller Blut, meine beige Hose, der Boden, meine Finger. Mir war noch immer nicht klar, wo das Blut herkam, ich starrte nur benommen auf den Umschlag, als hätte sich daraus warme rote Farbe auf den Boden ergossen. Mein Blick fiel auf das graue Metall.
Flache Metallstücke, die auf einem Streifen Pappe aneinander gereiht waren. Anfangs begriff ich nicht, worum es sich dabei handelte, aber dann fiel mir plötzlich mein Vater ein, wie er auf dem Rand der Badewanne saß und sich rasierte. Als kleines Mädchen hatte ich ihm oft dabei zugeschaut und den weißen Schaum auf seinem Gesicht bewundert, mit dem er aussah wie der Weihnachtsmann. Altmodische Rasierklingen.
Ich starrte auf meine Finger. Blut tröpfelte auf den blanken Holzboden. Ich hob meine Hand und sah sie mir genauer an. Am Zeigefinger klaffte eine tiefe Schnittwunde. Ich spürte, wie der Finger pulsierte, sah, wie das Blut herausquoll. Erst in dem Moment begann es wehzutun, und mir wurde auf einmal schwindlig und kalt und heiß, alles auf einmal. Ich schrie nicht um Hilfe. Mir wurde auch nicht schlecht. Stattdessen gaben einfach meine Beine nach, und ich glitt zu Boden. Ich weiß nicht, wie lange ich dort lag. Wahrscheinlich waren es bloß ein paar Minuten, bis Lena herunterkam und losrannte, um Hilfe zu holen, und Lynne mit aufgerissenem Mund in der Tür erschien.
Sie trägt eine cremefarbene Hose und ein kastanienbraunes Shirt. Ihre Hand ist verbunden, und hin und wieder hält sie sie vorsichtig mit ihrer gesunden Hand, ah wäre es ein verletzter Vogel. Sie hat das Haar hinter die Ohren geschoben, was ihr Gesicht noch schmaler wirken, ihre Wangenknochen noch stärker hervortreten lässt. Sie sieht schon um Jahre älter aus. Ich drehe an ihrer Lebensuhr.
Sie trägt heute keine Ohrringe, kein Parfüm. Der rote Lippenstift macht ihr Gesicht blass. Sie hat den Puder zu dick aufgetragen, sodass ihre Wangen und ihre Stirn fleckig wirken. Sie geht wie eine Schlafwandlerin, ihre Füße schlurfen über den Boden. Sie lässt die Schultern hängen. Hin und wieder runzelt sie die Stirn, als würde sie versuchen, sich an etwas zu erinnern. Sie presst die Hand an ihr Herz, als wollte sie den Puls ihres Lebens unter der Handfläche spüren. Das hat die andere auch gemacht.
Alles an ihr war so sorgsam zusammengehalten, aber jetzt beginnt sie auseinander zu fallen. Stück für Stück bricht ihre Schale auf. Ich kann sie sehen. Die Teile von ihr, die sie niemals jemandem zeigen wollte. Angst bringt die Menschen dazu, ihr Innerstes nach außen zu kehren.
Manchmal verspüre ich den Wunsch zu lachen. Es ist alles so gut gelaufen. Das kann mein ganzes Leben so weitergehen. Das ist es, worauf ich gewartet habe.
8. KAPITEL
ut es weh?« Detective Chief Inspector Links beugte sich zu m
T
ir vor. Viel zu nah, gleichzeitig aber schien er weit weg zu sein.
»Ich habe Tabletten gegen die Schmerzen bekommen.«
»Gut. Wir müssen Ihnen ein paar Fragen
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