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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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lockiges Haar, eine Stupsnase und stämmige Beine. Josh sah neben ihm aus wie eine Bohnenstange. Sein neues, übergroßes Shirt ließ seinen Hals noch magerer erscheinen als sonst.
    Ich küsste ihn auf die Wange. »Einen wunderschönen Urlaub, Josh, es wird dir bestimmt gefallen!«
    »Mum …«
    »Ihr müsst jetzt los, meine Lieben, euer Vater wartet schon im Auto. Seid brav, und passt auf euch auf. Wir sehen uns in drei Wochen. Wiedersehen, meine Lieblinge, auf Wiedersehen!« Ich winkte ihnen nach, bis ich sie nicht mehr sehen konnte.
    »Na, was sagst du, Chris? Jetzt sind wir drei Wochen lang allein, nur du und ich.«

    »Und Lena.«
    »Ja, natürlich, Lena ist auch noch da. Sie wird nachher sogar mit dir in den Zoo gehen. Da könnt ihr ein schönes Picknick machen. Mummy hat heute viel zu tun.«

    Ich hatte tatsächlich viel zu tun, weil ich dieses verflixte Essen vorbereiten musste, zu dem mich Clive verdonnert hatte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal allein im Haus gewesen war. Meine Schritte hallten durch die Räume, es war seltsam ruhig. Kein Josh und kein Harry, kein Chris und keine Lena, kein Clive, keine Mary, kein Jeremy, Leo oder Francis. Kein Hämmern und keine Arbeiter, die laut vor sich hinpfiffen, während sie Farbe an die Wand klatschten; kein ständiges Klingeln an der Haustür, weil Kies, Tapeten oder Stromkabel angeliefert wurden. Nun ja, fast allein. Lynne war natürlich immer irgendwo in der Nähe. Sie kam mir vor wie eine Hummel, die hin und wieder summend in den Raum schwirrte.
    Noch vor kurzem war dieses Haus eine Baustelle, was an sich schon schlimm genug war. Nun ist es eine verlassene Baustelle: Das Gästezimmer ist erst zur Hälfte tapeziert, im zukünftigen Wohnzimmer warten die Bodendielen darauf, verlegt zu werden, das Esszimmer ist schon mit Plastikplanen ausgelegt, bereit für die Maler, die nun nicht kommen werden, der Garten voller Unkraut und Löcher.
    Die Polizei mag vielleicht nicht in der Lage sein, den Kerl zu finden, der mich belästigt, aber meine Pläne haben sie definitiv durchkreuzt. Ganz zu schweigen von dieser Dr. Schilling, die mich immer mehr nervt.
    Bei ihrem zweiten Besuch beglückte sie mich erneut mit ihrer ernsten, aufmerksamen Miene. Ich wette, sie übt diesen Gesichtsausdruck vor dem Spiegel. Sie gräbt und kratzt sich immer tiefer in mein Leben hinein, will alles wissen, über Clive, Männer, ganz allgemein, kratz, kratz.
    Angeblich ist das die normale Vorgehensweise bei einer solchen Untersuchung. Manchmal habe ich das Gefühl, es geht ihr überhaupt nicht um den Verbrecher. In Wirklichkeit möchte sie meine anderen Probleme lösen.
    Mich ändern, eine andere Frau aus mir machen.
    Wahrscheinlich eine Frau wie sie. Am liebsten würde ich ihr sagen, dass ich keine Tür bin, die eines Tages aufgehen und den Blick auf den Zaubergarten ihn meinem Inneren freigeben wird. Tut mir Leid. Ich bin nun mal die Frau, die ich bin: Jenny Hintlesham, Ehefrau von Clive, Mutter von Josh, Harry und Chris. Nimm mich so, wie ich bin, oder lass es bleiben. Ach, lass es lieber bleiben – lass mich in Ruhe, damit ich endlich mein Leben weiterleben kann.

    Ich bin keine so leidenschaftliche Köchin, aber es macht mir durchaus Spaß, Gäste zu bewirten – das heißt, wenn ich genug Zeit für die Vorbereitungen habe. Heute hatte ich jede Menge Zeit. Lena würde erst zum Tee zurückkommen, und Clive fuhr direkt vom Flughafen zu einem Golfturnier. Ich hatte meine Kochbücher durchgesehen, die noch immer in einer Pappschachtel unter der Treppe lagen, und mich der Hitze wegen für ein richtiges Sommermenü entschieden: Frisch, knackig und einfach, mit viel gutem Weißwein. Die Pilzkanapees konnte ich erst in letzter Minute zubereiten, und das Gazpacho hatte ich schon gestern Abend gemacht, während Clive vor dem Fernseher saß. Jetzt würde ich den Hauptgang vorbereiten, rote Meeräsche in Tomaten-Safran-Soße, eiskalt zu servieren. Als Erstes kam die Soße dran, eine einfache, aber reichhaltige italienische Paste, mit Olivenöl, Zwiebeln, Kräutern aus dem Garten (immerhin hatte Francis noch den Kräutergarten pflanzen können, bevor alle Arbeiten zum Stillstand kamen), einer Menge Knoblauch und gehäuteten Eiertomaten. Wenn das Ganze dann so richtig schön dick ist, fügt man Rotwein, eine Spur Balsamico und Safran hinzu. Ich legte die sechs Meeräschen in eine lange Form und goss die Soße darüber. Nun musste der Fisch nur noch bei mittlerer Hitze eine

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