Der Sommermörder
gegangen.
Unten in der Küche zog ich eine große Schürze über meine schönen Sachen, verteilte die Pilze über die Kanapees und riss die Salatblätter in mundgerechte Stücke. Als Beilage zum Fisch würde es nur grünen Salat geben. Die wahre Eleganz liegt in der Einfachheit. Ich warf einen Blick aus dem Küchenfenster. Der Himmel hatte die Farbe von Himbeeren. Abendrot Schönwetterbot.
Josh und Harry waren inzwischen bestimmt schon in ihrem Camp eingetroffen und hatten auf amerikanische Zeit umgestellt.
»Hallo«, begrüßte mich Clive. Braun gebrannt und frisch geduscht, umgab ihn in seinem eleganten Anzug eine Aura des Erfolgs.
»Gut siehst du aus. Die Krawatte kenne ich ja noch gar nicht«, sagte ich. Ich wollte von ihm auch ein Kompliment über mein schickes Aussehen hören.
Er fummelte an seinem Krawattenknoten herum.
»Stimmt, sie ist neu.«
Es klingelte an der Tür.
Weder Sebastian noch seine Frau Gloria waren auch nur annähernd so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Sebastian war groß und ziemlich kahl. Wäre seine Nervosität nicht so deutlich spürbar gewesen, hätte er auf eine finstere, hollywoodmäßige Art recht vornehm ausgesehen. Aus Clives Verhalten ihm gegenüber sprach ein Hauch von Verachtung, eine Spur von Überlegenheit. Schlagartig kam ich zu der Erkenntnis, dass Clive Sebastian mit seinem verflixten Übernahmeangebot über den Tisch ziehen würde und dieses freundschaftliche Abendessen eine Farce war. Gloria, die in der City als Headhunter arbeitete, war um einiges jünger als ihr Mann – ich schätzte sie auf Ende zwanzig. Sie besaß tatsächlich blondes, fast silbriges Haar, aber entgegen meinen Erwartungen war es nicht wasserstoffblondiert, sondern echt. Sie hatte hellblaue Augen, schlanke braune Arme und schmale Handgelenke. Sie trug ein schlichtes weißen Leinenkleid, kaum Make-up und als einziges Schmuckstück ein feines silbernes Armkettchen. Emma wirkte neben ihr fast ein wenig schlampig, und ich fühlte mich völlig overdressed.
Alle drei Männer wandten ihr aufmerksam das Gesicht zu, während wir draußen auf unserer halb fertigen Terrasse standen und Champagner tranken. Sie wusste natürlich genau, wie hübsch sie war. Immer wieder senkte sie lasziv den Blick oder lächelte geheimnisvoll. Ihr Lachen klang silbrig, wie zartes Glockengeläut.
»Hübsche Krawatte«, sagte sie zu Clive und lächelte ihn dabei kokett an. Am liebsten hätte ich ihr eine Flasche Rotwein übers Kleid geschüttet.
Die beiden kannten sich offenbar schon – was bei ihren Jobs wohl nicht weiter verwunderlich war. Sie, Sebastian, Clive und Jonathan unterhielten sich über den Footsie und zukünftige Märkte, während Emma und ich blöd daneben standen.
»Ich muss immer lachen, wenn von diesem Footsie-Index die Rede ist«, warf ich ein. »Er hat wirklich einen witzigen Namen.« Ich war fest entschlossen, mich nicht ignorieren zu lassen.
Gloria wandte sich höflich zu mir um. »Arbeiten Sie auch in der City?«, fragte sie, obwohl sie genau wusste, dass dem nicht so war.
»Lieber Himmel, nein!« Ich lachte laut und nahm einen Schluck von meinem Champagner. »Ich bin ja nicht mal in der Lage, beim Bridge die Punkte zusammenzuzählen.
Nein, Clive und ich haben uns damals darauf geeinigt, dass ich zu Hause bleiben und mich um die Kinder kümmern würde. Haben Sie Kinder?«
»Nein. Was haben Sie denn vorher gemacht?«
»Als Model gearbeitet.«
»Als Hand-Model«, fügte Emma hinzu. Meine Freundin Emma.
»Sie haben wirklich schöne Hände«, meinte Sebastian ziemlich steif.
Ich streckte sie ihnen hin. »Sie waren mal mein Kapital«, erklärte ich. »Damals habe ich die ganze Zeit Handschuhe getragen, sogar beim Essen und manchmal sogar im Bett.
Verrückt, nicht?« Jonathan schenkte uns nach. Gloria sagte etwas zu Clive, der sie lächelnd ansah. Oben begann Chris zu weinen. Ich kippte meinen Champagner hinunter.
»Ihr müsst mich einen Moment entschuldigen, die Pflicht ruft! Lasst euch nicht stören. Ich gebe euch Bescheid, wenn das Essen fertig ist. Bitte nehmt euch noch von den Kanapees!«
Nachdem ich Chris’ Kassette umgedreht und ihm einen weiteren Gutenachtkuss auf die Wange gedrückt hatte, sagte ich ihm, er solle jetzt Ruhe geben, weil ich sonst böse werden würde. Dann ging ich in unser Schlafzimmer, zog meine Lippen nach, fuhr mir mit der Bürste durchs Haar und tupfte ein wenig Parfüm auf mein Dekollete. Ich fühlte mich leicht beschwipst. Am liebsten hätte ich mich jetzt in
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