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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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ein bisschen zugelegt, vor allem an den Hüften. Na ja, jedenfalls glaube ich nicht, dass ich eine besonders sinnliche Frau bin.« Ich beugte mich vor und murmelte leise:
    »Für mich fängt die Erde nicht zu beben an!«
    Dr. Schilling nahm mir die Kaffeetasse aus der Hand.
    Ich bemerkte, dass sie auf Clives Schreibtisch einen Ring hinterlassen hatte. Egal. Ich würde ihn später mit dieser Wunderpolitur behandeln. Die Fenster würde ich auch alle putzen, damit es wenigstens wieder so aussah, als würde mich nichts von der Welt draußen trennen.
    »Eigentlich wollte ich ja was ganz anderes sagen. Das kommt davon, weil Sie mich immer über mein Sexleben ausfragen, Dr. Schilling! Ich habe alle Männer aufgelistet, von denen ich finde, dass sie sich mir gegenüber seltsam benehmen.« Ich fuchtelte mit der Liste vor den beiden herum. »Ich muss zugeben, dass sie ziemlich lang geworden ist, aber um es Ihnen ein bisschen leichter zu machen, habe ich die besonders seltsamen Typen mit Sternchen versehen.« Blinzelnd starrte ich auf das Blatt hinunter. Meine Schrift kam mir an diesem Morgen ziemlich krakelig vor, aber vielleicht lag es auch nur daran, dass ich vor Müdigkeit schon nicht mehr gerade schauen konnte. Obwohl ich mich überhaupt nicht müde fühlte.
    Stadler nahm mir die Liste aus der Hand.
    »Kann ich eine Zigarette haben?«, fragte ich ihn. »Ich weiß, dass Sie rauchen, auch wenn Sie es in meiner Gegenwart nie tun. Ich habe Sie durchs Fenster beobachtet. Wissen Sie, dass ich Sie oft beobachte, Detective Inspector Stadler? Ich beobachte Sie, und Sie beobachten mich.«
    Er zog ein Päckchen aus der Tasche, nahm zwei Zigaretten heraus, zündete beide an und reichte mir eine.
    Es war eine seltsam intime Geste, die mich kichernd zurückweichen ließ.
    »Clives Freunde sind alle eigenartig«, sagte ich. Dann musste ich erst mal eine Weile husten. Jedes Mal, wenn ich an der Zigarette zog, verschwamm der Boden, und meine Augen tränten.
    »Sie wirken so respektabel, aber ich wette, sie haben alle heimliche Affären oder hätten zumindest gern welche.
    Männer sind wie Tiere in einem Zoo. Man muss sie in Käfige sperren, damit sie nicht überall herumlaufen. Wir Frauen sind die Zoowärter. Das ist doch der Sinn der Ehe, oder nicht? Wir versuchen, die Männer zu zähmen.
    Vielleicht ist es auch eher wie im Zirkus, nicht wie im Zoo. Ist ja auch egal.
    Ich habe versucht, alle aufzuschreiben, die jemals dieses Haus betreten haben, sogar die, die nicht in meinem Adressbuch oder Terminplaner stehen. Als Erstes mal die vielen Männer, die im Garten und im Haus gearbeitet haben. Sie wissen ja, wie die sich benehmen. Wobei die anderen, ehrlich gesagt, auch nicht besser sind. Die Männer sind doch alle gleich. Ohne Ausnahme. Wenn ich beispielsweise an die Väter in Chris’ Kindergarten denke oder an die Typen, die mir in Joshs Computerklub untergekommen sind … Da sind auch ein paar ziemlich schräge Vögel dabei. Und …« Ich hatte noch etwas anderes sagen wollen.
    Dr. Schilling legte mir eine Hand auf die Schulter.
    »Kommen Sie, Jenny, ich mache Ihnen ein Frühstück.«
    »Ist immer noch Frühstückszeit? Lieber Himmel! Na ja, wenigstens habe ich dann noch jede Menge Zeit, die Zimmer der Jungs sauber zu machen. Aber wir sind die Liste noch gar nicht richtig durchgegangen!«
    »Los, ab in die Küche mit Ihnen!«
    »Ich habe Mary entlassen, müssen Sie wissen.«
    »Wirklich?«
    »Jetzt bin nur noch ich übrig. Na ja, ich und Chris und Clive. Aber die zählen nicht.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie werden mir kaum beistehen, oder? Männer helfen einem grundsätzlich nicht. Das ist zumindest die Erfahrung, die ich gemacht habe.«
    »Toast?«
    »Was da ist. Egal. Mein Gott, in dieser Küche sieht es vielleicht aus! Überall herrscht Chaos, wo man auch hinsieht. Wie um alles in der Welt soll ich das bloß schaffen, jetzt, wo ich niemanden mehr habe, der mir hilft?«

    10. KAPITEL
    n das, was danach kam, erinnere ich mich nur noch verschwomm
    A
    en. Ich verkündete, dass ich einkaufen gehen wolle, und fing wohl auch an, nach meiner Jacke zu suchen, konnte sie aber nicht finden. Alle um mich herum versuchten mich davon abzuhalten. Ihre Stimmen schienen aus allen Richtungen zu kommen und zugleich von innen an mir zu kratzen, als würden im Inneren meines Schädels Wespen herumkrabbeln und darauf warten, mich zu stechen. Ich forderte sie schreiend auf zu verschwinden und mich in Ruhe zu lassen. Die Stimmen verstummten, aber dann

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