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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Sieben zu einer Acht anwuchs und dann zu einer Neun schrumpfte.
    Halb drei, und er war noch immer nicht zu Hause. Lena würde erst morgen früh zurückkommen, sie übernachtete bei ihrem Freund, sodass es im Haus nur mich und Chris gab und all diese leeren, verfallenden Räume, und draußen einen Polizeiwagen. Mein Finger pochte, mein Hals schmerzte, meine Augen brannten. An Schlaf war nicht mehr zu denken.
    Als ich aufstand, fiel mein Blick auf mein schemenhaftes Spiegelbild. In dem weiten Baumwollnachthemd sah ich aus wie ein Geist. Barfuß ging ich in Chris’ Zimmer hinüber. Seine Schlafhaltung erinnerte an einen Balletttänzer: den einen Fuß unters andere Knie geschoben, die Arme hochgeworfen. Seine Bettdecke lag neben ihm auf dem Boden. Das Haar klebte nass an seiner Stirn, der Mund war leicht geöffnet. Vielleicht sollte ich ihn zu Mummy und Daddy bringen, hinunter nach Hassocks. Vielleicht sollte ich selbst auch abhauen, diesen ganzen Schrecken hier hinter mir lassen, mich ins Auto setzen und das Weite suchen. Warum eigentlich nicht?
    Was um alles in der Welt sollte mich davon abhalten, und warum hatte ich nicht schon viel eher an diese Möglichkeit gedacht?
    Ich ging hinaus auf den Treppenabsatz und spähte hinunter. In der Diele brannte Licht, aber in den Zimmern war es dunkel. Ich schluckte, und plötzlich bekam ich kaum mehr Luft. So was Blödes. Das war wirklich dumm von mir, dumm, dumm, dumm. Draußen hielten zwei Polizisten Wache, und sämtliche Türen und Fenster waren zum Teil doppelt oder dreifach verriegelt, die unteren Fenster sogar mit hässlichen Eisengittern gesichert.

    Außerdem besaßen wir eine Alarmanlage und einen Bewegungsmelder, der den ganzen Garten erhellte, wenn sich ihm jemand näherte.
    Ich trat in den Raum, der einmal unser Gästezimmer sein würde, und schaltete das Licht an. Es war erst eine halbe Wand tapeziert. Die Tapetenrollen stapelten sich in der Ecke, gleich neben der Trittleiter und dem Tapeziertisch.
    Das Messingbett musste erst noch zusammengebaut werden, die Einzelteile lagen auf dem Boden. Der Raum roch muffig. Ich spürte Wut in mir aufsteigen. Wenn ich jetzt den Mund aufmachte, würde sie als langer, nicht enden wollender Schrei, der in die Stille der Nacht hinausdringen und alle in der Stadt aufwecken würde, aus mir herausbrechen. Ich presste fest die Lippen zusammen.
    Ich musste endlich wieder Ordnung in mein Leben bringen. Auf Hilfe brauchte ich dabei nicht zu hoffen, so viel war klar. Clive war nie da. Leo, Francis, Jeremy und all die anderen waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Mary schlich um mich herum, als hätte ich eine ansteckende Krankheit, mittlerweile konnte ich schon froh sein, wenn sie sich herabließ, die Mülleimer zu leeren.
    Morgen würde ich ihr sagen, dass ich sie nicht mehr brauchte. Die Polizisten waren alle dumm und inkompetent.
    Wären sie meine Handwerker gewesen, hätte ich sie längst gefeuert. In Zukunft würde ich mich einfach auf mich selbst verlassen müssen. Ich war jetzt auf mich allein gestellt. Ich spürte, wie unter meinem rechten Auge ein Nerv zu zucken begann. Als ich einen Finger auf die Stelle legte, fühlte ich ihn unter der Haut hüpfen wie ein kleines Insekt.
    Ich griff nach der Dose mit dem Tapetenleim und las die Gebrauchsanweisung. Klang recht einfach. Warum machten die Leute immer so viel Aufhebens darum? Ich würde mit diesem Raum beginnen und dann nacheinander sämtliche Bereiche meines Lebens in Angriff nehmen und alles, was in Auflösung begriffen war, wieder zusammenfügen – so, wie es gewesen war.

    Etwa eine halbe Stunde später kam Clive nach Hause. Als er die Tür aufschloss, erstarrte ich einen Augenblick, bis ich hörte, wie er die Schuhe auszog und in die Küche ging, wo er den Wasserhahn aufdrehte. Ich machte mit dem, was ich gerade tat, einfach weiter. Für Unterbrechungen hatte ich keine Zeit, ich musste unbedingt bis zum Morgen fertig sein.
    »Jenny!«, rief er, als er mich im Schlafzimmer nicht fand.
    »Jens, wo bist du?«
    Ohne ihm eine Antwort zu geben, klatschte ich weiter den Leim auf die Tapete. »Jens!«, rief er, diesmal aus dem Bad – dem, dessen Wände eines Tages italienische Fliesen zieren würden. Der Saum meines Nachthemdes war schon voller Leim, ebenso der Verband meiner Hand, aber das machte nichts. Meine Verletzung schmerzte schlimmer denn je. Das Schwierigste an der Sache war, die Tapete gerade und ohne Blasen an die Wand zu bekommen.
    Manchmal benutzte ich zu

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