Der Sommermörder
bemerkte ich, wie jemand mich am Arm nahm.
Plötzlich war ich in meinem Schlafzimmer und Dr. Schilling so nahe an meinem Gesicht, dass ich ihren Atem spüren konnte. Sie sagte etwas, das ich nicht verstand. Ich fühlte ein kurzes Pieksen am Arm, und dann versank alles ganz langsam in Dunkelheit und Stille.
Es war, als läge ich auf dem Grund einer tiefen, dunklen Grube. Hin und wieder tauchte ich auf und sah Gesichter, die Dinge zu mir sagten, die ich nicht verstand, aber dann sank ich zurück in die wohltuende Dunkelheit. Als ich aufwachte, war es damit wieder vorbei. Alles erschien mir grau, kalt und schrecklich. Eine Polizistin saß neben meinem Bett. Als sie feststellte, dass ich wach war, stand sie auf und verließ den Raum. Ich hätte so gern weitergeschlafen, nur um nichts mitzubekommen, aber es ging nicht. Ich dachte daran, wie ich mich aufgeführt hatte, schob den Gedanken jedoch gleich wieder weg. Ich wusste selbst nicht, was mit mir los war, aber es hatte auch keinen Sinn darüber nachzudenken.
Nach einer Weile traten Dr. Schilling und Stadler in den Raum. Sie wirkten ein bisschen nervös, als hätte man sie ins Büro der Schuldirektorin zitiert. Ich fand das irgendwie witzig, bis mir einfiel, dass sie wahrscheinlich bloß befürchteten, ich könnte mich weiterhin so verrückt benehmen. Anscheinend ging es mir wirklich schon besser, denn plötzlich ärgerte es mich, dass diese Leute einfach in mein Schlafzimmer kamen. Ich blickte an mir hinunter und stellte fest, dass ich ein kurzes grünes Nachthemd trug. Wer hatte mir meine anderen Sachen ausgezogen und mir das übergestreift? Und wer hatte dabei zugesehen? Noch so etwas, worüber ich nicht nachdenken wollte.
Stadler blieb neben der Tür stehen, aber Dr. Schilling trat an mein Bett und hielt mir eine von den großen französischen Keramiktassen hin, die eigentlich für die Kinder bestimmt waren. Natürlich konnte sie das nicht wissen. Die Hintlesham-Küche war ein kompliziertes Gefüge, und nur ich kannte mich darin aus. Weiß der Himmel, was sie dort noch alles anstellten.
»Ich habe Ihnen Kaffee gemacht«, sagte sie. »Schwarz, so wie Sie ihn mögen.« Ich setzte mich auf, um meine Hände um die warme Tasse zu legen. Der Verband war dabei ein bisschen störend, schützte mich aber vor der Hitze. »Soll ich Ihnen Ihren Morgenmantel bringen?«
»Ja, bitte. Den aus Seide.«
Ich stellte den Kaffee auf dem Nachttisch ab und kämpfte mich umständlich in den Morgenmantel. Ich musste daran denken, wie ich mich mit dreizehn am Strand in meinen Badeanzug gequält hatte, den Körper straff mit einem Badetuch umwickelt. Ich benahm mich noch immer so albern wie damals. Kein Mensch interessierte sich für meine nackten Beine. Dr. Schilling zog sich einen Stuhl heran, und Stadler trat ans Fußende des Betts. Ich war fest entschlossen, kein Wort zu sagen.
Es gab nichts, wofür ich mich entschuldigen musste. Ich wollte nur, dass sie wieder gingen, aber da ich langes Schweigen noch nie ertragen konnte, redete ich schließlich doch.
»Das ist ja wie zur Besuchszeit im Krankenhaus.« In meiner Stimme lag mehr als nur eine Spur Sarkasmus.
Keiner von beiden erwiderte etwas, sie starrten mich bloß voller Verständnis und Mitgefühl an. Widerlich. Wenn ich etwas nicht ertragen kann, dann ist es die Vorstellung, bemitleidet zu werden.
»Wo ist Clive?«
»Er hat in der Nacht nach Ihnen gesehen. Wir haben heute schon Dienstag. Er musste zur Arbeit, aber ich werde ihn gleich anrufen und ihm sagen, dass Sie auf dem Weg der Besserung sind.«
»Bestimmt gehe ich Ihnen schon total auf die Nerven«, sagte ich zu Dr. Schilling.
»Das ist komisch«, antwortete sie, »weil ich nämlich gerade dasselbe gedacht habe. Ich meine, andersherum natürlich. Bestimmt gehe ich Ihnen schon total auf die Nerven. Wir haben vorhin über Sie gesprochen.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Nicht auf eine negative Weise. Einer der Punkte, über die wir diskutiert … oder vielmehr gesprochen haben …«
Sie sah dabei zu Stadler hinüber, aber der fingerte an seinem Krawattenknoten herum und schien ihr gar nicht zuzuhören. »Ich bin der Meinung … wir sind beide der Meinung, dass wir Ihnen gegenüber nicht offen genug waren, und ich möchte etwas tun, um das wieder gutzumachen. Jenny …« Sie hielt einen Moment inne.
»Zum einen, Jenny, möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, falls ich wirklich zu penetrant war. Sie wissen wahrscheinlich, dass ich tagsüber als Psychiaterin
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