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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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wollen«, entgegnete Stadler. Dann fügte er hinzu: »Jenny«, und ich lief knallrot an.
    »Ich hole meine Jacke.«
    Während der kurzen Fahrt sprach keiner der beiden mit mir. Ein oder zwei Mal wechselten Stadler und der Beamte ein paar leise Worte. Am Haus angekommen, begleitete mich Stadler die Treppe hinauf. Während ich den Schlüssel im Schloss drehte, hatte ich einen Moment lang das alberne Gefühl, als wären wir beide gemeinsam aus gewesen und würden uns nun voneinander verabschieden.
    »Wird Clive heute Abend noch zurückkommen?«, fragte ich in bestimmtem Tonfall, als wollte ich mich selbst davon überzeugen, wie dumm dieser Gedanke war.
    »Ich bin nicht sicher«, antwortete Stadler.
    »Worüber sprechen Sie mit ihm?«
    »Wir versuchen mit seiner Hilfe noch ein paar Fragen zu klären, die sich im Verlauf unserer Ermittlungen ergeben haben.«
    Stadler sagte das ganz beiläufig und ließ dabei den Blick schweifen. »Ach ja, da wäre noch was. Im Rahmen dieses neuen Ermittlungsschwerpunkts würden wir Ihr Haus morgen früh gern noch etwas genauer durchsuchen. Haben Sie etwas dagegen einzuwenden?«
    »Nein, ich glaube nicht. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass es dort etwas gibt, das Sie noch nicht gesehen haben. Welchen Teil des Hauses wollen Sie denn durchsuchen?«
    Stadler tat wieder ganz lässig. »Verschiedene Teile. Ein paar von den oberen Zimmern. Unter Umständen auch das Arbeitszimmer Ihres Mannes.«

    Clives Arbeitszimmer. Es war der erste Raum, den wir im neuen Haus eingerichtet hatten, was eigentlich eine Frechheit war, weil es niemand außer Clive bewohnte. Wo auch immer wir gelebt hatten, darauf hatte Clive bestanden: ein Zimmer, in dem er allein sein und seine persönlichen Sachen unterbringen konnte. Ich weiß noch, wie ich, als wir die Räume planten, mit einem Lachen protestierte, dass ich schließlich auch kein solches Allerheiligstes besäße, woraufhin er geantwortet hatte, das mache nichts, da ja das ganze Haus mein Allerheiligstes sei.
    Der Raum war nicht wirklich abgeschlossen und verriegelt, aber das war auch gar nicht nötig. Den Jungs war es unter Androhung von Folter und Todesstrafe verboten, auch nur einen Fuß hineinzusetzen. Ich hingegen war nicht völlig ausgeschlossen. Manchmal ging ich zu ihm hinein, während er die Buchführung machte oder Briefe schrieb. Er reagierte darauf keineswegs wütend und schickte mich auch nicht wieder hinaus, sondern nahm mit freundlicher Miene den Kaffee entgegen oder hörte sich an, was ich zu sagen hatte, wartete dann aber, bis ich fertig war und mich wieder zum Gehen wandte. Er behauptete immer, nicht arbeiten zu können, wenn ich im Raum sei.

    Deshalb hatte ich das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, als ich – nachdem ich eine Runde durchs Haus gedreht und mich für die Nacht fertig gemacht hatte – in Nachthemd und Morgenmantel das Arbeitszimmer betrat.
    Schon in dem Moment, als ich das Licht anknipste, empfand ich starke Schuldgefühle, sodass ich, obwohl es schon fast Mitternacht war, rasch zum Fenster hinüberging und die Vorhänge zuzog. Erst dann fühlte ich mich in dem Raum wirklich sicher.
    Das Zimmer war Clive: ordentlich, effektiv, nüchtern, fast kahl. An den Wänden hingen nur einige wenige Bilder. Ein kleines verschwommenes Aquarell von einem Segelboot, das er von seiner Mutter geerbt hatte. Ein alter Kupferstich von seiner Privatschule, den er als Junge bekommen hatte. Ein Foto, das ihn mit einer Gruppe von Kollegen bei einem Festessen zeigte, alle mit Zigarren, glänzenden roten Gesichtern und leeren Gläsern. Sie hatten einander die Arme um die Schultern gelegt, und Clive wirkte ein wenig gehetzt und verlegen. Er schätzte es nicht, angefasst zu werden, vor allem nicht von anderen Männern.
    Das Arbeitszimmer meines Mannes. Was konnte hier für die Polizei von Interesse sein? Natürlich hatte ich nicht vor, seine Sachen zu durchwühlen. Bei ihm herumzuschnüffeln, während er bei der Polizei war, erschien mir äußerst unloyal. Ich wollte mich nur ein wenig umsehen. Vielleicht würde ich ein gutes Wort für ihn einlegen müssen, und dann war es wichtig, dass ich Bescheid wusste. Zumindest redete ich mir das ein.
    In dem Raum standen zwei Aktenschränke, ein großer brauner und ein kleiner, stummeliger aus grauem Metall.
    Ich öffnete sie beide und sah flüchtig die Ordner und Papiere durch, die aber alle unglaublich langweilig waren.
    Dokumente über Hypotheken, Gebrauchsanweisungen, unzählige Rechnungen und

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