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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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seines Spiegeleis über den ganzen Teller und erklärte dann, das sei alles ganz eklig, und er wolle stattdessen lieber Schokoflakes. »Wie lautet das Zauberwort?«, fragte ich automatisch. Bitte. Bitte zwing mich nicht, dieses eklige Zeug zu essen.
    Die Polizisten trugen große Kartons aus dem Haus, dieselben, die erst vor ein paar Monaten von mürrischen, genervten Möbelpackern hineingetragen und planlos gestapelt worden waren. Christo fiel die Abwesenheit seines Vaters gar nicht auf, weil dieser in der Regel sowieso schon weg war, wenn der Junge aufstand. Weg, bevor er aufstand, und zurück, nachdem er längst schlief.
    Hass. Mein Mann hasste mich.
    In der Küche ging es drunter und drüber. Seit ich Mary entlassen hatte, sah es im ganzen Haus aus wie in einem Schweinestall. Morgen würde ich alles putzen. Morgen, nicht heute. Mein Blick wanderte an meinen nackten Beinen hinunter. Sie müssen schon wieder enthaart werden, dachte ich, und mein Nagellack blättert auch ab.
    »Geht es Ihnen nicht gut, Mrs. Hintlesham?«, fragte Lena mit ihrer Singsangstimme. Wie hübsch sie in ihrem kurzen Sommerkleidchen aussah, so blond und schlank, die zarten Arme von der Sonne gebräunt. Vielleicht war Clive das auch schon aufgefallen. Ich starrte sie an, bis ihr Gesicht vor meinen Augen zu verschwimmen begann.
    »Mrs. Hintlesham?«
    »Doch, doch, mir geht es gut.« Ich legte die Hand an mein Gesicht. Meine Haut fühlte sich dünn und alt an.
    »Ich habe schlecht geschlafen …«
    »Ich möchte mir die Zeichentrickfilme ansehen.«
    »Nicht jetzt, Christo.«
    »Ich möchte einen Zeichentrickfilm sehen!«
    »Nein.«
    »Du bist ein Arschloch.«
    »Christo!« Ich packte ihn am Oberarm und kniff heftig zu.
    »Was hast du gerade gesagt?«
    »Nichts.«
    Ich ließ ihn los und drehte mich zu Lena um, die mich mit ernster Miene ansah.
    »Das ist heute alles ein bisschen kompliziert«, sagte ich vage.

    »Vielleicht könnten Sie mit Christo in den Park gehen, zur Hüpfburg. Ihr könntet ein Picknick machen.«
    »Ich will aber nicht picknicken!«
    »Bitte, Christo.«
    »Ich will bei dir bleiben!«
    »Heute nicht, Liebling.«
    »Komm, Chrissy, lass uns die Sachen aussuchen, die du heute anziehen willst.« Mit diesen Worten stand Lena auf.
    Kein Wunder, dass Christo sie liebte. Sie wurde nie böse, sprach immer nur mit dieser lustigen Singsangstimme mit ihm.
    Ich ließ den Kopf auf die Hände sinken. Überall Staub und Dreck. Ein Berg Bügelwäsche. Niemand, der mir half.
    Clive zur Befragung auf dem Polizeirevier. Welche Fragen sie ihm wohl stellten? Hassen Sie Ihre Frau, Mr. Hintlesham? Wie sehr hassen Sie sie? Genug, um ihr Rasierklingen zu schicken?

    Die beiden brachen Hand in Hand auf. Christo trug rote Shorts und ein gestreiftes Hemd. Ich starrte auf das langsam eintrocknende Essen auf ihren Tellern. Ich starrte auf die Fenster, die dringend geputzt werden mussten. An der Lampe über mir entdeckte ich eine Spinnwebe. Ich fragte mich, wo wohl die dazugehörige Spinne war.
    Als es an der Haustür klingelte, fuhr ich erschrocken zusammen. Es war Stadler, verknittert und schwitzend, mit Bartstoppeln im Gesicht. Er sah aus, als hätte er gar nicht geschlafen.
    »Kann ich Ihnen ein paar Fragen stellen, Jenny?« Er nannte mich jetzt immer Jenny, als wären wir Freunde oder gar ein Liebespaar.
    »Noch mehr Fragen?«

    »Nur eine«, antwortete er mit einem müden Lächeln.
    Wir gingen nach unten. Mein Angebot, ihm Kaffee und Frühstück zu machen, lehnte er ab.
    Er blickte sich um. »Wo ist Lynne?«
    »Sie sitzt draußen in ihrem Wagen«, sagte ich. »Sie mussten eigentlich an Ihr vorbeigekommen sein.«
    »Ach ja, stimmt.« Er schien gar nicht mehr richtig wach zu sein.
    »Sie wollten mir eine Frage stellen?«
    »Ja, richtig«, sagte er. »Es geht lediglich um ein Detail.
    Können Sie sich erinnern, wo Sie am Samstag, dem siebzehnten Juli waren?«
    Ich unternahm einen zaghaften Versuch, gab aber schnell auf.
    »Sie haben doch meinen Terminplaner.«
    »Ja, aber da steht an diesem Tag nur: ›Fisch abholen‹.«
    »Ach ja. Jetzt fällt’s mir wieder ein.«
    »Was haben Sie an diesem Tag gemacht?«
    »Ich war zu Hause und habe gekocht, Verschiedenes vorbereitet.«
    »Mit Ihrem Mann?«
    »Nein.« Stadler hob erstaunt den Blick. Dann breitete sich auf seinem Gesicht ein triumphierendes Lächeln aus, obwohl er versuchte, es zu unterdrücken. »Sie brauchen gar nicht so überrascht zu tun«, sagte ich. »Sie wissen doch ganz genau, dass er fast nie

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